Dr. Wolfgang Eßer zu den politischen Grußworten
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Staatsminister Holetschek,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
auch ich möchte Sie, Herr Staatsminister Holetschek, zunächst noch einmal herzlich in unserer Runde hier in München willkommen heißen. Vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit genommen haben, um Ihr Grußwort persönlich an unsere Vertreterversammlung zu richten. Sie wissen, dass wir Sie schätzen als jemanden, der immer ein offenes Ohr für die Expertise und Argumente der Vertragszahnärzteschaft hat. Auch heute haben Sie uns mit vielem, was Sie gesagt haben, aus der Seele gesprochen.
Die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen sind durch steigende Material- und Energiekosten mit großen Herausforderungen konfrontiert. Von der Digitalisierung erwarten wir uns endlich eine Entlastung von Bürokratie, wovon wir noch weit entfernt sind Ich will in diese Themen gar nicht tiefer einsteigen, nur zwei Punkte herausgreifen, die Sie in Ihrer Rede auch angesprochen haben: Wir haben es als wichtiges Signal verstanden, dass Sie unser Anliegen zur Parodontitis-Versorgung in ihrer Rede im Rahmen der 1. Lesung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes im Bundestag adressiert haben. Hierfür und auch für die Unterstützung im Bundesrat nochmals vielen Dank!
Akribisch haben wir die Auswirkungen des Gesetzes auf die Parodontitis-Versorgung zusammen mit den KZVen bis in die kleinsten regionalen Vertragsverästelungen analysiert. Diese Analyse bestätigt, dass auf Bundesebene insgesamt etliche hundert Millionen Euro für 2023 und 2024 fehlen werden; genau wie wir das in unseren vielen Gesprächen mit der Politik, in unseren Stellungnahmen und Positionierungen dargestellt haben. Das lässt sich nicht wegreden, auch wenn uns der Minister heute in der Videobotschaft das genaue Gegenteil weißmachen wollte.
Wie kann Herr Lauterbach sich guten Gewissens vor die Kamera stellen und von einem „starken Sockel“ sprechen, wenn die benötigten Mittel für die Jahre 2023 und 2024 nicht im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingepreist sind?
Der vom Bundesminister angesprochene „Warnmechanismus“ – also die vorgesehene Evaluation Ende September nächsten Jahres – kann den Schaden dieses Gesetzes nicht einfangen. Selbstverständlich sind wir offen für eine Evaluation und wir begrüßen eine transparente und faktenbasierte Diskussion, aber Trial and error auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten ist der falsche Weg. Das ist verantwortungslos. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Sein Versprechen zu halten, eine Parodontitis-Behandlung für alle zu ermöglichen und dann zu evaluieren – das wäre verantwortungsvoll gewesen.
Die negativen Folgen der Budgetierung, der Punktwertbegrenzung und damit der Begrenzung des Honorarzuwachses betreffen nicht nur die Parodontitis-Versorgung, sondern ganz generell die Sicherstellung der Versorgung, vor allem im ländlichen Raum. Herr Staatsminister, hier sind wir beide seit Jahren darum bemüht, Lösungen für ländliche und strukturschwache Räume zu entwickeln. Die Versorgung in der Fläche zu garantieren, ist uns beiden ein Herzensanliegen. Mit diesem Kostendämpfungsinstrument aus der Mottenkiste schmeißt uns jetzt die Ampel von Berlin aus Knüppel zwischen die Beine, und das nicht nur für zwei Jahre als „Notopfer“ der Zahnärzteschaft, wie uns der Bundesgesundheitsminister das ganz offenbar verkaufen will. Es liegt doch auf der Hand, dass die Budgetierung wegen ihrer Basiswirkung weit in die Zukunft reicht und die Praxen dauerhaft schädigen wird!
Das ist gleichzeitig der Nährboden für die fortschreitende Vergewerblichung der zahnmedizinischen Versorgung. Herr Staatsminister Holetschek, auch bei diesem Thema haben Sie nicht nur klare und eindeutige Worte gefunden, sondern von Bayern aus handeln Sie auch entsprechend.
Der GMK-Beschluss aus dem Sommer wird von uns begrüßt. Für mich ist er ein Startschuss für eine echte Gegenoffensive zur Rettung unserer bewährten Versorgungsstrukturen.
Wir begrüßen auch Ihre Initiative für die Länderkommission, nachdem das BMG seit über einem Jahr nicht aktiv wird und die beschlossene Bund-Länder-AG einrichtet.
Bei Ihren weiteren Beratungen möchte ich Sie eindringlich bitten, die Besonderheiten unseres Versorgungsbereiches Rechnung zu tragen: Neben der räumliche ist zwingend auch eine fachliche Begrenzung der Gründungsbefugnis notwendig, um den Investoren und Renditehaien endlich konsequent und wirksam den Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung zu verschließen. Ohne diese fachliche Begrenzung würde eine Regelung, die nur die räumliche Begrenzung vorsieht, ins Leere laufen.
Ein vollständiger Ausschluss aller Finanzinvestoren wäre zwar wünschenswert, würde aber aus Sicht des ehemaligen Vorsitzenden des Bundessozialgerichtes, Prof. Ulrich Wenner, auf rechtliche Probleme stoßen. In dem gestern veröffentlichten Interview mit dem Ärztenachrichtendienst führt er aus, dass man stattdessen den Krankenhäusern weiter die Möglichkeit einräumen müsse, MVZ zu gründen, allerdings schränkt Prof. Wenner ein, ich zitiere, „beschränkt auf die Fachgebiete, die hauptamtlich im Krankenhaus vorhanden sind und auf den regionalen Einzugsbereich des Krankenhauses.“ Genau das kann der Bundesgesetzgeber im SGB V regeln und stößt damit nicht auf verfassungsrechtliche Probleme. Dem kann ich mich nur anschließen. Damit bestätigt Prof. Wenner das bereits vorliegende Rechtsgutachten von Prof. Sodan.
Vielleicht mag ich hier schon klingen wie eine hängende Schallplatte, aber wenn es um so ein zentrales Versorgungsanliegen geht, ist mir das egal: Mit jedem weiteren Monat der vergeht, drängen immer neue iMVZ in die Versorgung.
Die Buy-and-Build-Strategie der Investoren zeichnet sich immer deutlicher ab. Die Berichte über den Weiterverkauf von einer Kette zur anderen häufen sich. Ich erinnere nur an die Übernahme der Kette „Konfidents“, vorher Altor Equity Partners AB, durch den Investor PAI Partners mit der Marke „Zahneins“. Diese Entwicklung haben wir schon im europäischen Ausland beobachten können. Die Rendite wird abgeschöpft und die Kette dann an den nächsten Investor verkauft. Wenn unser Ziel eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung ist, dann dürfen wir nicht abwarten, bis sich die Lage noch weiter zuspitzt. Der Bundgesundheitsminister ist gefordert. Er muss jetzt dringend handeln.
Herr Staatsminister, wir sind froh, Sie bei diesem Thema an unserer Seite zu wissen. Herzlichen Dank.
Bild: © KZBV/Knoff