Dr. Jürgen Fedderwitz
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sie erwarten an dieser Stelle von mir einen Bericht aus meinen Ressortbereichen im Vorstand der KZBV.
Ich hoffe, Sie werden es mir nicht nur nachsehen, sondern auch zugestehen, dass ich heute mit diesem bald traditionellen Ablauf breche und mir einige mehr über den Ressort-Tellerrand hinausragende Bemerkungen erlaube.
Es ist ja nicht nur die letzte Sitzung dieser VV. Es ist auch die letzte für diesen Vorstand am Ende der Legislaturperiode.
Und hinzu kommt, dass Günther Buchholz und ich unsere Vorstandstätigkeit bei der KZBV beenden wollen. Ich nehme hier Wolfgang Eßer bewusst raus, weil ich mir wünsche, dass er im Vorstand weiter macht, dass er als Vorsitzender des Vorstandes weiter macht. Falls es jemanden gibt, den diese Aussage wundert, ja – der überrascht ist – dem sei gesagt: Ich freue mich, dass ich noch für Überraschungen gut bin.
Wenn ich dieser Tage einen Ausblick auf die standespolitische kurz- und mittelfristige Zukunft wage, dann kann ich verstehen, dass die Begeisterung und daraus folgend die Bereitschaft für ein Führungsamt in eben dieser Standespolitik nicht sehr ausgeprägt ist.
Wir haben heute Morgen gehört, was droht, auch wenn womöglich dieser maßlose Referentenentwurf abgespeckt wurde.
Wie sich viele von Ihnen gern und immer wieder gern erinnern, bin ich vor knapp 30 Jahren - 1988 wurde ich Kreisstellenvorsitzender in Wiesbaden – mit dem Schlachtruf „Abschaffung der KZVen“ in die Standespolitik gekommen.
Heute sind wir so nah dran wie noch nie! Aber: ich bin nicht froh drum! Denn ich habe gelernt: Unser Gesundheitssystem – um das uns viele in der übrigen Welt übrigens nach wie vor beneiden – ist eine tragende Säule unseres Sozialstaates. Und dieses Sozialstaatsprinzip findet in den Artikeln 20 und 28 Grundgesetz seine verfassungsmäßige Verankerung. Das anerkenne ich ausdrücklich und bekenne mich dazu. Und ich verkenne nicht, dass eine flächendeckende effiziente Gesundheitsversorgung zu den pflichtigen Kernaufgaben eines modernen Sozialstaates gehört. Ich verkenne auch nicht, dass in einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung – übrigens ein Begriff des GG, der die Kernstruktur des Gemeinwesens beschreibt – die Umsetzung eines Sozialstaatsprinzips im Gesundheitswesen folgerichtig zur Selbstverwaltung und damit zu KVen und KZVen führt.
In Gablers Wirtschaftslexikon wird „Selbstverwaltung“ so definiert:
„Verwaltung der eigenen Angelegenheiten gewisser Körperschaften des öffentlichen Rechts durch selbstständige und selbstverantwortliche eigene Organe und unabhängig von Weisungen übergeordneter staatlicher Behörden, aber unter Staatsaufsicht hinsichtlich Rechtmäßigkeit (nicht Zweckmäßigkeit) der verwaltenden Maßnahmen.“
Und daher ist Selbstverwaltung nicht Auftragsverwaltung.
Wer dieser Tage auf die Website des Bundesministeriums für Gesundheit geht und das Stichwort „Selbstverwaltung“ abruft, der liest folgendes:
„Die Selbstverwaltung ist eines der tragenden Prinzipien unseres Sozialsystems. […] Die gesetzlich angeordnete Selbstverwaltung stellt zwar hohe Anforderungen an die Einigungs- und Konsensbereitschaft der Beteiligten, trägt aber auch maßgeblich zur Sozialpartnerschaft, zum Interessenausgleich und zum sozialen Frieden bei.“ Später im Text heißt es weiter: „… die staatliche Aufsicht beschränkt sich auf die Beachtung von Gesetz und Recht.“
Ich weiß nicht, was die Dame aus dem BMG getrieben hat, diesen Referentenentwurf zu schreiben. Einen Entwurf, der so sehr ein nicht nur Selbstverwaltungsschwächungsgesetz gebracht hätte, nein, es wäre ein Selbstverwaltungs-verstümmelungsgesetz, ein Selbstverwaltungs-kastrationsgesetz geworden! Wenn dieser Entwurf so durchkommt, dann brauche wir keine Körperschaften mehr, dann sind KVen und KZVen, KBV und KZBV ohne Sinn. Jetzt kommt ganz frisch der Kabinettsentwurf. Deutlich abgespeckt nach ungewöhnlich einheitlichem Protest und umfassender Ablehnung. Eine Ohrfeige für das BMG bei der Anhörung!
Wir werden sorgfältig zu prüfen haben, ob die Abmilderungen hinnehmbar sind, ob die fortbestehenden Unmöglichkeiten oder neue Belastungen nicht immer noch den Inhalten der eigenen Web-Site Hohn sprechen. Es bleibt die große Gefahr, dass die beim Thema „Selbstverwaltung“ offenbar vergiftete Denke im BMG nach wie vor die Feder führt. Und – um im „BMG-Wort-zum-Sonntag“ zu bleiben – dann sind Sozialpartnerschaft, Interessenausgleich und sozialer Frieden perdue!
Ich habe gelernt: in der Politik muss man einen langen Atem haben. Die Demontage der Selbstverwaltung hat viele Väter und eine Mutter.
Angefangen bei Norbert Blüm (CDU) und Herbert Ehrenberg (SPD). Dann kam einer, der uns die Budgets brachte, die Zulassungssperren einführte und die Wertermittlung unserer Kassenpraxen auch den Krankenkassen auftrug. Er heißt Horst Seehofer (CSU). Ulla Schmidt (SPD) schrieb sich das Ende der Ideologie der Freiberuflichkeit auf die Fahne. Jetzt dann Hermann Gröhe (CDU).
Ich weiß nicht, was all die Herren und die Dame antrieb oder noch antreibt. Ist es ein fiskalisch gesteuertes Hirn? Ist es eine ideologisch durchseuchte Seele? Ich weiß aber eins – und womöglich habe ich ja auch länger für diese Erkenntnis gebraucht: Ich weiß, was Selbstverwaltung und was entsprechend KVen und KZVen wert sind! Ich will nicht verhehlen, dass es uns aber auch aus den eigenen Reihen schwer gemacht wurde, diesen Selbstverwaltungsgedanken hoch zu halten.
Als ich 2005 mein Amt als hauptamtlicher Vorsitzender des Vorstands der KZBV antrat – übrigens ein Amt, in das ich gewählt – nicht bestellt - wurde - da hatte ich auch die standespolitische Heilige Inquisition des Freien Verbandes hinter mir.
Auf der Grundlage seiner Bremer Beschlüsse waren all jene Kollegen, die sich für die Hauptamtlichkeit bereitfanden, standespolitische Ketzer und Verräter. Ich erinnere mich noch gut an die Vorstandssitzungen beim Bundesvorstand des Freien Verbandes zu jener Zeit. Damals standen noch die drei Säulen des Berufstandes und ich als amtierender KZBV-Vorsitzender war dabei. Es waren peinliche und sehr persönliche Vorwürfe der standespolitischen Häresie, die uns schon sehr getroffen haben.
Schlimm für den Berufsstand – und wesentlich schwächender – war der Gang des Freien Verbandes in die innere standespolitische Emigration!
Von jetzt auf gleich fehlte mit dem Freien Verband die politische Pressure Group der Zahnärzteschaft. Und es fehlte der standespolitische Nachwuchs, es fehlte die Talentschmiede, es fehlten die jüngeren Kolleginnen und Kollegen, deren Engagement, deren Leidenschaft und deren Überzeugung und Ideale, die es bedarf, sich erfolgreich für den Berufsstand einzusetzen. Wir spüren das bis heute!
Wir spüren das auch dieser Tage, wo in den KZVen nun neue Vorstände zu wählen sind. Glücklicherweise hat der Freie Verband seinen Bremer Irrweg erkannt, den Weg aus dieser ziellosen Sackgasse gefunden und sich ein neues Selbstverständnis und damit sicher auch neues Selbstbewusstsein gegeben.
Ich nehme das mit Freunde, aber auch mit Genugtuung zur Kenntnis. Es war damals in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends eine schwierige Gemengelage in der Standespolitik. Ich durfte ja schon einige Jahre in Karl Schirborts Vorstand mitarbeiten und am wegweisenden Vertrags- und Wahlleistungskonzept mitstricken. Wir hatten uns mit dem damaligen Tabu-Slogan „Begrenzte Mittel – begrenzte Leistungen“ bei vielen in der Politik nicht beliebt gemacht. Horst Seehofer hatte uns mit seinem populistischen Salto rückwärts das zarte Pflänzchen „Zahnersatz nach GOZ“ zertreten und uns verbittert. Erst wurden die Dialoge härter, dann seltener.
Aber auch in VV und Beirat der KZBV wurde der Ton rauer, die Positionen unterschiedlicher, die Geschlossenheit schwächer. Meine Erkenntnis: Nur ein geschlossener Berufsstand und dazu unabdingbar eine geschlossen auftretende Vertragszahnärzteschaft – werden in der Politik wahr- und ernst genommen.
Mit der BEMA-Umrelationierung in 2003 haben wir gezeigt, dass der Berufsstand willens und in der Lage war, gesetzliche Verpflichtungen zu übernehmen und sie eigenverantwortlich und innerhalb der Selbstverwaltung zu erledigen.
Diese Phase der Vertrauensbildung war uns damals im Vorstand äußerst wichtig. Ohne unsere politischen Ziele aufzugeben, sondern konsequent dafür einzutreten, wollten wir in unserem Handeln berechenbar und verlässlich sein. Ich glaube, das ist uns damals ganz gut gelungen.
Und gilt bis heute!
Diese Berechenbarkeit, diese Verlässlichkeit waren letztlich die Vertrauensbasis für die Umsetzung unseres Festzuschuss-Systems beim Zahnersatz. Es waren über Jahre sehr dicke Bretter, die durchbohrt werden mussten, um im SGB V mit den §§ 55 und 56 die Grundlagen für das FZ-System zu schaffen. Selbst als diese Grundlagen geschaffen waren, konnten wir seinerzeit noch nicht durchatmen. Gesteuert von den Zahntechnikern und gepowert vom STERN war das erste Jahr ein heikles und schwieriges.
Wolfgang Eßer und Günther Buchholz werden sich ebenso wie Frau Schmidt-Garrecht sicher daran erinnern, wie wir in dieser Zeit auf jeder Veranstaltung im „Gesundheits-Berlin“ für dieses System am Klinken putzen waren.
Ich will an dieser Stelle gern sagen, dass wir es zu jener Zeit vertrauensvoll gemeinsam verteidigt und gefördert haben – gemeinsam, mit Ulla Schmidt und Franz Knieps. Und das will ich auch gern sagen: Bei aller Distanz, besonders zur damaligen Ministerin, diesen beiden gebührt mein Dank und mein hoher Respekt bei der politischen Durchsetzung des FZ-Systems. Und da will ich an dieser Stelle auch Gudrun Schaich-Walch nennen. Sie war Frankfurter Bundestagsabgeordnete. Karl Schirbort hatte mich als hessischen KZV-Vorsitzenden zusammen mit Frau Schmidt-Garrecht zur Kontaktpflege verdonnert. Frau Schaich-Walch wurde dann gesundheitspolitische Sprecherin der SPD und schließlich Parl. Staatssekretärin im BMG.
Wir müssen es wohl irgendwie geschafft haben, ihr Weltbild und Vorurteil gegenüber Zahnärzten zu verändern – jedenfalls hat sie wesentlich den parlamentarischen Weg für die notwendigen gesetzlichen Regelungen geebnet.
Möglicherweise hat zu diesem konstruktiven Verhältnis zur Politik beigetragen, dass die KZBV sich offiziell von der alten standespolitischen Marschrichtung „Raus aus der GKV“ verabschiedet hat. Dieser Weg hatte seine Strahlkraft verloren – auch innerhalb der Kollegenschaft. Das war kein Wunder. Schließlich gab es mittlerweile die Mehrkostenregelung in der Füllungstherapie, die positiv in den Praxen aufschlug.
Wir hatten in Hessen eine KFO-Positiv-Liste erarbeitet, die ich in einer meiner ersten Amtshandlungen auf Bundesebene mit der Techniker Krankenkasse vereinbarte und die noch heute versorgungspolitische Grundlage einer verantwortungsvollen, patientenorientierten KFO-Behandlung ist. All darin war ja schon viel Vertrags- und Wahlleistung. Ich bin überzeugt, dass all das auch dazu beigetragen hat die Entbudgetierung gesetzlich durchzuziehen.
Wir – und hier namentlich Wolfgang Eßer – haben mit fundierten, seriös aufgearbeiteten Materialien die Politik, aber auch die mit der Umsetzung beauftragten Ministerialen überzeugen können, wesentliche Verwerfungen aus Jahren falscher Budgetpolitik korrigieren zu sollen.
Auch wenn ich den Eindruck bisweilen habe, dass der Benefit noch nicht den Weg in die Köpfe aller Standespolitiker gefunden hat, viele Kolleginnen und Kollegen den Wert noch nicht verstanden haben und auch offensichtlich die Kassenlandschaft sich der neuen Situation noch gern verweigert – erstmals seit 1993, 20 Jahre später, wurde der Rückzug aus einer fatalen Fehlentwicklung der deutschen Gesundheitspolitik eingeleitet.
Schließlich haben wir mit dem AuB-Konzept und auch mit der ebenfalls fachlich unterfütterten ECC-Therapie der Gesundheitspolitik und damit auch dem Gesetzgeber gezeigt, dass es uns nicht immer nur – wie oft und gern unterstellt - um betriebswirtschaftliche Vorteile geht.
Diese Einkünfte retten keinen Zahnarzt vor der Insolvenz, aber finanzieren auch keinen Porsche Carrera.
AuB und ECC bringen der Zahnärzteschaft kein neues Geschäftsfeld, um einen missbrauchten Ausdruck von Herbert Rebscher zu verwenden. AuB und ECC sind Belege unserer Versorgungsverantwortung in diesem Land, in diesem Gesundheitssystem. Und was ich dabei besonders wichtig finde: Man nimmt uns das ab! Vielleicht ist das auch dem veränderten Bild zu verdanken, dass die Zahnärzteschaft in den Medien und damit mittelbar auch in unserer Gesellschaft abgibt.
Klar, manchen von interessierter Seite initiierten Shitstorm müssen wir aushalten oder besser: sollten wir aushalten, wenn er auch manchmal und manchem schwer fällt.
Dem aufmerksamen Zeitzeugen wird sicher auffallen, dass jetzt – 12 Monate vor der Bundestagswahl – alte Rituale wieder aufleben. Zahnärzte als Feindbild, als Abzocker und geldgeile Raffkes. Stichwortgeber leben wieder auf, u.a. die Zahntechniker mal wieder vorne weg. Plus-Minus, Frontal 21 und selbst ernannte Enthüllungsjournalisten werden, da bin ich mir ziemlich sicher, auch in den nächsten Monaten Kostproben ihres vermeintlich gesellschaftspolitischen Auftrags vermitteln.
Manche politische Zielsetzung im Bundestagswahlkampf, ob in den Köpfen von Sozial- und Gesundheitspolitikern oder gar schon in Parteiprogrammen, wird auch damit ihre Begründung oder ihren Motor finden.
Doch schauen wir dabei nicht nur auf Andere. Schauen wir auch in die eigenen Reihen! Wir werden einen Blick auf die Implantologie werfen müssen, dass einige wenige sie nicht in einen Rotlichtbezirk ziehen - so wie wir uns in den letzten 1 1/2 Jahren bemüht haben, manchen kieferorthopädisch tätigen Kollegen von der sündigen Meile wegzuziehen.
Wir haben mit dem Bundesvorstand der Kieferorthopäden jetzt jene Kostentransparenz und Therapieaufklärung vereinbart, die wir in ähnlicher Form seit Jahren für selbstverständlich und unumgänglich beim Zahnersatz praktizieren.
Wesentlich bei all diesen Erfolgsnummern unserer Vorstandsarbeit in den letzten zwei Legislaturperioden war und ist auch unser Verhältnis zur Wissenschaft.
Als ich in die Standespolitik kam, gab es überhaupt kein Verhältnis zur Wissenschaft, geschweige denn eine Zusammenarbeit mit ihr. Ich bin schon stolz darauf, auch dazu beigetragen zu haben, dass das heute anders ist. Ich war und ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Interessen des Berufsstandes – ethisch wie monetisch – nur in Einklang mit der Wissenschaft erfolgreich verfolgt werden können. Das war bei unseren Initiativen zu einer modernen Paradontalbehandlung vor 13 Jahren und vor 7 Jahren so. Damit waren wir seriös und erfolgreich bei AuB und ECC.
Wir haben eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der DGZMK – angefangen zu Beginn meiner Amtszeit mit Wilfried Wagner/Mainz als damaligem Past-Präsidenten der DGZMK und wichtigem Helfer beim FZ-System, dann die engen persönlichen Kontakte zu den Präsidenten Heiner Weber aus Tübingen, ganz besonders zu Georg Meyer/Greifswald und Thomas Hoffmann/Dresden, zu Henning Schliephake und – eine besondere Freude - zu Prof. Bärbel Kahl-Nieke aus Hamburg, die eine sehr wichtige unentbehrliche Stütze des Berufsstandes geworden ist.
Und ich bin sicher, dass wir das auch mit ihrem Nachfolger Prof. Walther/Dresden fortsetzen. Und ich bin auch sicher, dass das auch für die Zukunft gelten wird: nur KZBV und Bundeszahnärztekammer zusammen mit der DGZMK und ihren Fachgesellschaften werden imstande sein, segensreich für den Berufsstand zu arbeiten.
Das „segensreich“ fängt aber schon an im Zusammenspiel von KZBV und BZÄK. Da wir oft als Schwestern tituliert werden, gilt das, was auch sonst so zwischen Schwestern gilt: Sie gehen zickig miteinander um, sie streiten sich. Doch nur zusammen sind sie stark. Dieses „zusammen“ habe ich in meiner Zeit als hessischer KZV-Vorsitzender mit dem hessischen Kammerpräsidenten, der immer noch Michael Frank heißt, ganz gut hinbekommen.
Ich weiß also, dass es geht. Und ich weiß, dass es in der Vergangenheit ging und auch in Zukunft gehen wird, aber auch gehen muss.
Das beste Beispiel für ein notwendiges Zusammenspiel zwischen Standespolitik und Wissenschaft ist derzeit das gemeinsame aktuelle Projekt einer fortschrittlichen Paradontalbehandlung.
Das vorgelegte Konzept „State of the art“ ist das profunde nachhaltige Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Paradontologie und ihrem langjährigen Präsidenten Prof. Peter Eickholz aus Frankfurt.
Ich weiß, wovon ich hier spreche!
Einige von Ihnen, von Euch wissen vielleicht noch, dass ich schon 2000 in den ZM ein Konzept zur Paro im Vertrags- und Wahlleistungssystem vorgestellt habe.
Da war schon manches drin, was ich dann zusammen mit Kollegen aus den KZVen in einer Arbeitsgruppe 2009 vorgestellt habe. Schon damals war die Deutsche Gesellschaft für Paradontologie mit namhaften Vertretern dabei, ebenso die BZÄK.
Das war die Blaupause für unser heutiges Konzept. Und jetzt wird es wieder spannend! Wir erwarten den Vorbericht des IQWiG über den Nutzen u.a. einer Unterstützenden Paradontitis-Therapie. Und womöglich darf gelacht werden! Gelacht werden über ein Kleinbonum in Köln!
Asterix-Leser werden es kennen. Kleinbonum leitet sich aus dem Französischen ab. „Petit bonhomme“ steht für kleine Spießer. Dieses Institut ist immer noch beseelt von einem tradierten Evidenz-Bild, mit dem es den Nutzen von Arzneimitteln bewertet. Da sind prospektive Studien das Maß - und für das IQWiG also das Maß aller Dinge.
Es tut sich schwer, den wissenschaftlichen Wert retrospektiver Studien, die die wissenschaftliche Zahnmedizin weltweit prägen, anzuerkennen. Und so wird es womöglich hier bei der UPT keinen Nutzen sehen und sich gegen weltweit geltende, kürzlich auch von allen europäischen in der EFP zusammengeschlossenen wissenschaftlichen paradontologischen Fachgesellschaften nochmals zusammen getragene Erkenntnisse zu stellen.
Dann könnte es anschließend die gesamte Zahnmedizin auf ihre Evidenz hin prüfen. Dann käme womöglich heraus, dass sie mangels Evidenz in der GKV keinen Platz hätten.
Aber vielleicht hat das IQWiG ja auch vom Baum der Erkenntnis genascht und es stellt den Nutzen fest. Dann lachen wir auch und freuen uns. Denn dann geht es um die Umsetzung – im GBA, mit oder gegen GKV-SV und Patientenvertreter und letztlich – das prophezeie, aber auch hoffe ich - mit der Politik.
Es wird spannend – und womöglich also eines der Haupthemen eines zukünftigen KZBV-Vorstandes. Hier hat die Zahnärzteschaft vielleicht noch die Möglichkeit, Inhalte wesentlich festzulegen, die unseren Patienten auch in der Paro die Teilhabe am wissenschaftlichen Fortschritt endlich sichern.
Das wird zukünftig im GBA aber wie alles andere auch eher schwieriger werden. Zwar haben wir es geschafft, in den Gremien des GBA als eigener Sektor zu gelten, haben es in der Vergangenheit auch noch hinbekommen, sektorspezifische Regelungen – vor allem bei der Umsetzung der Qualitätsparagrafen des SGB V – zu erreichen, doch der Trend geht gegen uns. Sektorspezifika platt machen und dafür Einheitsbrühe kochen.
Alles soll irgendwie sektorübergreifend gelten. Unsere Abteilung Qualitätsförderung hat für 2017 über 100 Sitzungstermine – und das heißt in der Regel Sitzungstage – beim GBA wahrzunehmen. Wenn Sie unsere Abteilungsleiterin QF nicht an ihrem Schreibtisch bei der KZBV finden, dann wissen Sie mit größter Sicherheit, wo sie steckt! Damit – Sie können es sich denken – bin ich beim Thema Qualität – dem anderen großen Thema, dem sich die KZBV zukünftig noch mehr zu stellen hat – und damit die gesamte Zahnärzteschaft.
Wie Sie alle wissen, habe ich mir in den letzten Jahren manchen blauen Flecken und manche standespolitische Prellung geholt, wenn es um das Thema „Qualität“ ging. Ich, wir alle wissen, wie schwer sich die Kollegenschaft und damit auch die Standespolitik nach wie vor tun, wenn das Thema mehr und mehr fremdbestimmt wird.
Dabei haben wir eine Bilanz, die sich sehen lassen kann und die wir auch selbstbewusst darlegen. Wir haben auch mehr und mehr eine Kollegenschaft – zugegeben: es sind hier die Jüngeren, die die Aktiveren sind – die offensiv nicht nur die Reglementierungen, sondern auch die Chancen für die eigene Praxis sehen. Nur leider fehlen uns die Jüngeren in der Standespolitik.
Vor kurzem veröffentlichte die ZM einen Leserbrief eines Kollegen Lauser aus Eberbach. Er fragt: „Braucht Spitzenleistung QS-Kontrolleure?“ Er reibt sich u.a. daran, dass zukünftig „…auch in den KZVen QS-Kontrollgremien angesiedelt werden, die von den Praxen über den Verwaltungskostenbeitrag mitfinanziert werden müssen.“ Das führt bei nahezu gleichem Honorar zu einem geringeren Praxisgewinn. „Im Alltag“, so der Kollege Lauser, „ jedoch erleben wir, das gute Qualität ihren fairen Preis hat.“
Leserbriefe wie diese geben die Stimmung und die Meinung wieder, die immer noch – und ja auch nicht ganz unberechtigt – weit verbreitet ist. Dennoch sind wir hinten dran. Dieses Thema wird schon lange nicht mehr vom Berufsstand allein geprägt und entwickelt. Warum jammern die Kammern hier so, wo sie doch eigentlich berechtigt für sich das Thema reklamieren?
Wir alle wissen doch: Es geht beim Thema „Qualität im Gesundheitswesen“ doch eigentlich gar nicht um den Patienten. Es geht um eine Kosten-senken-sollende Zentralisierung unseres Gesundheitswesens.
Zusätzlich wird das Thema missbraucht, um – zumindest in einigen Politikerköpfen – einen gravierenden Strukturwandel einzuleiten: Neben der Stärkung des Krankenhauses eine schleichende, aber doch unaufhaltbare Abkehr in der ambulanten Versorgung weg von der freiberuflichen Praxis, hin zu Poliklinikstrukturen unter dem Mantel, besser Deckmantel MVZ.
Qualität – das ist meine feste Überzeugung – wird mehr denn je ein Leit- und Steuerungskriterium des Gesetzgebers werden. Sozialrechtler und Verfassungsjuristen sprechen denn auch von einer „Kompetenzusurpation“. Dieselben Juristen haben aber auch schon vielfach die Spur gelegt:
Sie weisen darauf hin, dass es eine staatliche Verantwortung für die Qualitätssicherung gibt. Dafür, dass die gewährte Heilbehandlung auch tatsächlich erfolgreich und effizient erbracht wird, sorge in Deutschland die mittelbar aus dem Grundgesetz abzuleitende staatliche Gewährleistungsverantwortung, die mit einem Grundrecht auf Qualität „korrespondiere“.
Unter einem solchen mehr gesellschaftspolitischen denn allein berufsständischen Blickwinkel werden wir uns in den nächsten Jahren noch mehr aktiv, weniger reaktiv aufstellen müssen, werden Inhalte definieren und Initiativen starten müssen. Dazu ermuntere ich den neuen Vorstand ausdrücklich!
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
all das, was ich mit meinem Blick zurück aufgelistet habe, ist ein Beleg für eine selbstbewusste, aber auch verantwortungsvolle Selbstverwaltung. All das, was ich als wesentliche zukünftige Aufgaben skizziert habe, geht nur in einer zwar dem Gemeinwohl verpflichteten, aber ganz wesentlich dem Interessenausgleich dienenden Selbstverwaltung.
Als dieser Vorstand 2006 eine Politische Agenda veröffentlichte, stand in der Präambel: „Die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung benötigt ein Modell, das die Gratwanderung zwischen Markt und Regulierung, zwischen Eigenverantwortung und Solidarität so löst, dass jeder Bürger, die gerechte Chance hat, eine auf seine persönliche Bedürfnisse zugeschnittene zahnmedizinische Versorgung zu erhalten.“
Wenn das auch morgen noch gelten soll und unsere Gesellschaft auch uns Zahnärztinnen und Zahnärzten dabei aktiv einzubinden bereit ist, dann gilt für die zahnärztliche Standespolitik abgewandelt ein Zitat von Franz Müntefering:
„Das ist das schönste Amt neben dem Papst – im Vorstand der KZBV zu sein.“
Danke.
Machen Sie‘s gut.