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Ob eine Implantatversorgung im Einzelfall in Frage kommt, klären Zahnärzte und Patienten gemeinsam. Dabei werden sie sich mit den Einsatzbereichen von Implantaten beschäftigen. Diese Einsatzgebiete nennt die Zahnmedizinerin bzw. der Zahnmediziner Indikationen.
Eine Indikation zur Implantation kann dann bestehen, wenn die Patientin einen zahnlosen Unterkiefer aufweist, der einer konventionellen Vollprothese nicht genügend Stabilität (Halt durch Saugeffekt) bietet. Dies ist dann der Fall, wenn im Laufe der Jahre ausgeprägter Knochenabbau (Atrophie) stattgefunden hat, welcher bei langer Zahnlosigkeit oder mangelnder Prothesennachsorge auftreten kann.
Unterschreitet das verbleibende Knochenangebot des Kiefers jedoch das Mindestmaß, welches zur Verankerung ausreichend langer Implantate nötig ist, ist eine Einpflanzung nur nach vorbereitenden knochenaufbauenden Maßnahmen möglich.
Wenn die allgemeinen medizinischen Voraussetzungen zur Implantation erfüllt sind, gibt es folgende Versorgungsvarianten: Durch Einpflanzung von zwei bis vier künstlichen Zahnwurzeln ist es möglich, eine herkömmliche, herausnehmbare Unterkieferprothese durch Verbindungselemente so zu stabilisieren, dass die Patientin in ästhetischer und funktioneller Hinsicht befriedigend rehabilitiert wird. Wenn ein Patient festsitzenden Zahnersatz (eine Brücke) wünscht, ist in der Regel im Unterkiefer die Implantation von mindestens sechs Implantaten, im Oberkiefer von acht Implantaten erforderlich.
Weitere Indikationen sind: zahnloser Oberkiefer, große Zahnlücken, verkürzte Zahnreihen und Einzelzahnersatz.
Im zahnlosen Oberkiefer ist durch den Einsatz moderner konventioneller Behandlungsverfahren eine befriedigende funktionelle und kosmetische Rehabilitation häufig auch ohne Implantation möglich. Zudem setzt der Oberkiefer durch seine lockere Knochenstruktur und die enge Nachbarschaft zu den Kieferhöhlen und dem Nasenboden der Implantation zunächst Grenzen. Implantationen im Oberkiefer wurden demnach früher auf Patientinnen und Patienten mit sehr ungünstigen anatomischen Verhältnissen (z. B. Patienten mit unfall- oder tumorbedingten Kieferdefekten; Kieferversehrte) beschränkt. Heute liegen zuverlässige Verfahren für die Versorgung des zahnlosen Oberkiefers vor, die jedoch regelmäßig einen erhöhten Aufwand erfordern.
Die große Zahnlücke oder mehrere große Zahnlücken setzen den herkömmlichen Versorgungsmöglichkeiten der Zahnärztin oder des Zahnarztes durch Eingliederung von festsitzendem Zahnersatz Grenzen. Die Eingliederung einer Brücke ist nur dann noch möglich, wenn die Lücke von gesunden Zähnen begrenzt wird und die Spannweite zwischen diesen Zähnen nicht zu groß ist. Soll eine Brücke eine Lücke mit einer Ausdehnung von mehr als drei fehlenden Zähnen überspannen, so kann dies ihre Langzeitprognose erheblich verschlechtern. In diesem Fall können Implantate die fehlenden Pfeilerzähne ersetzen und im Verbund mit natürlichen Zähnen festsitzende Brücken mit guter Prognose ermöglichen.
Verkürzte Zahnreihen (Freiendsituationen) betreffen den Verlust aller großen Backenzähne einer oder beider Kieferhälften. Hier fehlt der für eine festsitzende Brücke notwendige hintere Pfeiler. Solche Gegebenheiten sind auf herkömmliche Weise nur in Grenzen mit herausnehmbarem oder festsitzendem Zahnersatz zu versorgen. Besonders schwierig sind Situationen, in denen die Backenzähne nur auf einer Kieferseite (einseitige Freiendsituationen) fehlen. Im Unterkieferseitenzahnbereich - wie im Oberkiefer - sind anatomische Nachbarstrukturen (z. B. Nerven) bei einer Implantation gefährdet. Vor der Einleitung implantologischer Maßnahmen sollte man daher alle sich bietenden Alternativen der Zahnheilkunde sorgfältig überdenken.
Einzelzahnlücken sind in allen Fällen den bekannten prothetischen Therapieverfahren zugänglich. Zur Brückenverankerung müssen jedoch die Zähne, die die Lücke begrenzen, präpariert werden. Bei völlig kariesfreien lückenbegrenzenden Zähnen fällt die Entscheidung entsprechend schwer: Immerhin werden nicht selten bis zu 60 Prozent der gesunden Hartsubstanz abgetragen. Alternativ bietet sich die Verwendung der sogenannten Adhäsivbrücke an, die an die gesunden Pfeilerzähne angeklebt wird und nur geringes Beschleifen dieser Zähne erfordert. Diese Versorgung ist risikoarm und vor allem bei Jugendlichen indiziert, bei denen das Wachstum noch nicht abgeschlossen ist.
Frühe Implantationen haben Vorteile
Implantate ermöglichen eine optimale Wiederherstellung von Funktion und Ästhetik, wenn die Versorgung frühzeitig genug erfolgt, d.h. bevor es durch den Verlust des natürlichen Zahnes und vor allem dessen Wurzel zu dem sonst unvermeidlichen Abbau (Resorption, Atrophie) des Kieferknochens kommt. Die knochenerhaltende Wirkung von Implantaten - nicht nur im Frontzahnbereich - durch die Einleitung der natürlichen Kaukräfte stellt grundsätzlich einen wesentlichen Vorteil der Implantation dar. Aber auch wenn es bereits zum Verlust von Kieferknochensubstanz gekommen ist, gibt es heute mehrere Verfahren, das verloren gegangene Knochenvolumen wieder aufzubauen. Die Behandlung dauert dann insgesamt länger.