Rede Dr. Wolfgang Eßer
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Dr. Janke, lieber Andreas,
sehr geehrter Herr Zehnich,
sehr geehrter Herr Sommer,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Hermann Hesse hat einst den bekannten Vers „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“ geschrieben. Dieser Zauber des Neuen, das Aufblühen und die praktische Umsetzung einer guten Idee ist heute in Düsseldorf mit Händen zu greifen, in Deutschlands erster „Zahnpraxis der Zukunft“, zu deren Eröffnung auch ich Sie im Namen des Vorstandes der KZBV begrüßen darf. Mit diesem wichtigen Projekt stellt die Deutsche Apotheker- und Ärztebank, die uns Zahnärzte seit vielen Jahren partnerschaftlich begleitet, gemeinsam mit der Zahnärztlichen Abrechnungsgenossenschaft ein Praxismodell vor, das vor allem jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten bei ihrem Weg in die Selbständigkeit behilflich sein soll. Durch innovative digitale Kommunikations-, Verwaltungs- und Behandlungslösungen sowie den Austausch zwischen Berufseinsteigern und erfahrenen Kollegen wird die ZPdZ einen aktiven Beitrag zur Sicherstellung der Versorgung leisten. Davon bin ich überzeugt! Gleichzeitig bietet sie jungen Kollegen einen Weg, ohne Investitionskosten in die Selbstständigkeit zu starten.
Das – meine sehr geehrten Damen und Herren – ist ein zukunftsweisender Ansatz, den die KZBV begrüßt und der das Potential hat, sich zu einem Vorbild zu entwickeln. Die Vertragszahnärzteschaft hat den Auftrag und den Gestaltungsanspruch, die Versorgung flächendeckend und wohnortnah sicherzustellen. Neben dem Erhalt und der Weiterentwicklung bewährter Praxisformen müssen wir dazu auch neue Wege beschreiten und als Berufsstand auf die jeweilige Versorgung vor Ort abgestimmte Lösungen entwickeln. Wenn uns das gelingt, haben wir eine Chance mit dem Modell der freiberuflichen Berufsausübung zu bestehen. Dazu gehört auch, die Chancen der Digitalisierung zu erschließen, die derzeit von der Politik mit Nachdruck vorangetrieben wird. Die KZBV unterstützt - trotz Kritik in Detailfragen - diese umfassende Digitalisierungsstrategie, etwa im parlamentarischen Verfahren zum Digitale-Versorgung-Gesetz. Es gilt, die Möglichkeiten der Digitalisierung für eine sichere Kommunikation und Abrechnung sowie für die Bewältigung von Bürokratie zu nutzen.
Aber auch unser Berufsbild befindet sich im Wandel: Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte legen zunehmend Wert auf Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeitmodelle, Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Arbeit in Praxisgemeinschaften. Wir fordern die Politik auf, diesen Wünschen durch angemessene Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung sind dabei für Heilberufe Erfolgsgaranten, die es im Interesse der jungen Zahnärzte zu schützen und zu stärken gilt. Gleichzeitig müssen wir die Niederlassung junger Kollegen fördern. Nur so kann es gelingen, die qualitativ hochwertige Versorgung in unserem Land auch künftig flächendeckend und wohnortnah sicherzustellen.Die ZPdZ bietet mit dem Konzept der Mietpraxis die Chance, einen ersten Schritt in die Niederlassung zu gehen, ohne direkt unternehmerische Risiken, die mit einer Praxisgründung verbunden sind, auf sich nehmen zu müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wo es Chancen gibt, da gibt es jedoch auch Gefahren für die Sicherstellung der Versorgung. Ich spreche von der manifesten Bedrohung durch rein zahnärztliche MVZ unter Kontrolle von Fremdinvestoren, so genannte Investoren-MVZ. Diese stehen für eine versorgungsschädliche Industrialisierung des Gesundheitswesens. Innerhalb weniger Jahre hätten I-MVZ die Versorgung überrollt und dominiert, wäre es uns nicht gelungen, die Marktbeherrschungspläne der Investoren durch eine Regelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz zu durchkreuzen. Wir konnten die Politik überzeugen, im Kern unseren Argumenten zu folgen und die Gründungsberechtigung von Kliniken für rein zahnmedizinische MVZ einzuschränken. Damit wurde ein Weg beschritten, der unserer Forderung nach dem Schutz der Freiberuflichkeit vor Kommerzialisierung dem Grunde nach Rechnung trägt. Es wird sich zeigen, ob die Gefahr gebannt ist. Sollte sich herausstellen, dass die gesetzliche Regelung nicht den gewünschten Erfolg zeigt, werden wir geschlossen eine Verschärfung der MVZ-Beschränkung fordern! Die Sicherstellung der Versorgung und die freiberufliche Berufsausübung stehen ansonsten zur Disposition!
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ein Grund dafür, dass unser Gesundheitswesen zu den besten der Welt zählt, basiert auf dem Vertrauen der Menschen, dass Zahnärzte und Ärzte ihre Patienten nach bestem Wissen und Gewissen weisungsunabhängig und frei von wirtschaftlichen Interessen Dritter behandeln. Geht dieses Vertrauen in einem zunehmend renditeorientierten System verloren, wird ein Grundpfeiler gesellschaftlicher Daseinsvorsorge unwiederbringlich zerstört. Daher möchte ich abschließend noch einmal ausdrücklich an alle Kolleginnen und Kollegen appellieren, ihren eigenen Gestaltungsspielraum zu nutzen, um gemeinsam für eine freie Berufsausübung einzustehen. Die „Zahnpraxis der Zukunft“ eröffnet einen solchen Gestaltungsspielraum. Ich hoffe, dass sie sichzu einer echten Stütze für die Sicherstellung der Versorgung entwickelt. Jetzt wünsche ich Ihnen einen maximal erfolgreichen Start und hoffe, dass die ZPdZ einen Beitrag leistet, junge Zahnärztinnen und Zahnärzte von der Niederlassung in eigener Praxis zu überzeugen. Denn wir wollen nicht, dass künftig die besten von Ihnen als Angestellte in einem MVZ arbeiten, sondern als kooperierende Freiberufler!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Bild: © KZBV/Darchinger