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In den vergangenen Jahren gab es große Fortschritte in der Weiterentwicklung kieferorthopädischer Apparaturen und Materialien. Brackets wurden kleiner und durch teilweise zahnfarbene Materialien (Keramik, Kunststoff) weniger auffallend. Für Regulierungsbögen stehen heute neben Stahldrähten auch sehr flexible Drähte aus Titan-, Molybdän-, Nickel-, Kupfer- beziehungsweise Cobalt-Legierungen zur Verfügung, die geeignet sind, Zahnstellungsänderungen mit sehr schwachen, schonenden Kräften zu bewirken.
Ob für eine Behandlung festsitzende Apparaturen zu verwenden sind, entscheidet der Behandler nach Auswertung der diagnostischen Unterlagen je nach Ausprägung und Art der Zahnstellungs- und Kieferanomalie, Alter, Gebissreife, Wachstumsfortschritt, Kooperationsbereitschaft und Mundhygienegepflogenheiten des Patienten. Im Allgemeinen werden festsitzende Apparaturen im bleibenden Gebiss zur Korrektur ausgeprägter Fehlstellungen sowie im Rahmen einer prächirurgischen oder präprothetischen Therapie verwendet.
Eingewöhnungsschwierigkeiten
Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung treten meist nur in den ersten Tagen auf. So können die Zähne auf die Spannung des eingebundenen Metalldrahtes empfindlich, möglicherweise sogar schmerzhaft reagieren. Diese anfängliche Reaktion der belasteten Zähne gibt sich aber rasch. Sollten die Beschwerden länger anhalten, sollten Sie Ihren Behandler informieren. Scharfe Kanten beziehungsweise vorspringende Metallteile können reiben und an der Schleimhaut Druckstellen verursachen. Zur Abhilfe kann ein spezielles Stangenwachs helfen, mit dem die Kanten abgedeckt werden, bis sich die Schleimhaut an die Metallbänder und Brackets gewöhnt hat. Im Laufe der Behandlung werden sich durch das Bewegen der Zähne die Kontakte zu den Gegenzähnen verschieben. Das Gefühl beim Zubeißen wird sich ändern. Diese ist ebenso normal wie eine leichte Lockerung der bewegten Zähne. Die Zähne festigen sich nach Entfernung der Spange wieder relativ rasch.
"Unsichtbare" Zahnspangen
In der Regel werden festsitzende Apparaturen auf der Außenfläche der Zähne, also im sichtbaren Bereich, angebracht. Speziell geschulte Kieferorthopäden bieten in geeigneten Fällen auch an, die Brackets und Bögen auf der Innenseite der Zähne zu befestigen. Dieses Verfahren erfordert einen deutlich größeren apparativen und zeitlichen Aufwand als die normale festsitzende Apparatur und ist deshalb auch wesentlich teurer. Durch die zungenwärts angebrachte Apparatur ist mit einer längeren Eingewöhnungszeit zu rechnen, insbesondere was die Sprache betrifft.
Die Außenspange (Headgear)
Eine Außenspange, auch Gesichtsbogen oder Headgear genannt, dient dazu, obere Backenzähne nach hinten zu schieben, um Platz zu schaffen und vorstehende Schneidezähne zurückbewegen zu können. Vielfach kann durch das Tragen der Außenspange das Ziehen von Zähnen vermieden werden. Bei anderen Patienten wird der Headgear auch dazu benutzt, ein Vorwandern der hinteren Backenzähne zu verhindern. Ein weiterer Einsatzbereich ist die Einflussnahme auf das Oberkieferwachstum.
Die Außenspange sollten Sie regelmäßig einzusetzen. Eine Unterbrechung sollte auf jeden Fall vermieden werden, da sich die Zähne sehr rasch wieder in die alte Position zurückbewegen, wenn der Headgear auch nur wenige Tage nicht getragen wird: So geht bereits nach kurzer Zeit der in Wochen mühsam erarbeitete Behandlungsfortschritt verloren.
Auch das Wiederbefestigen gelockerter Bänder sollte umgehend erfolgen. Bei lockeren Ankerbändern ist nicht nur die Funktion der Außenspange beeinträchtigt; viel gefährlicher ist das Einpressen von Speiseresten in den Spalt zwischen Band und Zahn, was zur Entkalkung des Zahnschmelzes und zu massiven kariösen Defekten führen kann.
Zusätzliche Behandlungs- und Verankerungselemente
Herbst-Scharnier
Zur Vorverlagerung und Wachstumsförderung des Unterkiefers lassen sich einer an oberen und unteren Seitenzähnen festzementierten Apparatur teleskopartige Scharniere anbringen. Durch die festsitzenden Apparatur wird eine rasche Positionsänderung des Unterkiefers erreicht, weshalb ein Herbst-Scharnier besonders bei geringem Restwachstum eingesetzt wird.
Gaumennahterweiterungs-Apparatur
Die Gaumennahterweiterungs-Apparatur besteht aus einer massiven Metallschraube, die durch Verstrebungen mit Metallbändern verbunden ist, die auf die Seitenzähne des Oberkiefers fest zementiert werden. In einigen Fällen ist die Apparatur im Gaumenbereich mit einer Kunststoffverstärkung versehen oder sie wird direkt auf dem Knochen verankert.
Eine deutliche Verbreiterung des Oberkiefers ist mit Hilfe einer sogenannten "forcierten Gaumennahterweiterung" möglich. Dabei kann der obere Zahnbogen in 2 - 3 Wochen um 10 - 15 mm verbreitert werden. Die in der Gaumenmitte durch eine Knochennaht verbundenen Oberkieferhälften werden getrennt und seitwärts bewegt. Diese Naht verknöchert in der Regel erst im dritten Lebensjahrzehnt, so dass bis dahin eine Trennung möglich ist.
Die forcierte Gaumennahterweiterung führt dazu, dass sich auch die Nasenhöhle verbreitert und sich das Gaumendach senkt. Eine gekrümmte Nasenscheidewand kann sich hierdurch begradigen, was zu einer deutlichen Verbesserung der Nasenatmung führen kann.
Die Abstände der Behandlungstermine sind hier in der Regel kurz, damit irreparable Schäden an den Zähnen, dem Kieferknochen und dem Zahnfleisch vermieden werden. Vereinbarte Kontrolltermine sollten Sie daher immer pünktlich einhalten.
Intensive Zahnreinigung nach jeder Mahlzeit ist – besonders um die Metallbänder und die Drähte herum – dringend erforderlich, um die Anlagerung von Plaque zu verhindern. Zur besseren Reinigung können Sie auch eine Munddusche benutzen, um besonders den Bereich zwischen Schraube und Gaumendach gründlich zu säubern.
Gesichtsmaske
Bei vielen Patienten wird ein umgekehrter Frontzahnüberbiss durch eine Unterentwicklung des Oberkiefers hervorgerufen. In diesen Fällen muss das Oberkieferwachstum gezielt gefördert und der Oberkiefer nach vorn entwickelt werden.
Dies kann mit einer Art Gesichtsmaske (nach ihrem Erfinder auch "Delaire-Maske" genannt) geschehen, die durch eingehängte Gummizüge mit einer festsitzenden Oberkiefer-Apparatur verbunden ist. Die abnehmbare Maske stützt sich dabei an der Stirn und dem Kinn ab. Die eingehängten Gummis verlaufen zwischen Häkchen an der festsitzenden Oberkiefer-Apparatur und einem an der Maske angebrachten horizontalen Steg.
Als günstigstes Behandlungsalter gilt die Zeit zwischen dem 6. und 8. Lebensjahr. Durch die aufwendige Apparatur gelingt es oft, den Oberkiefer so weit nach vorn zu entwickeln, dass eine spätere operative Lagekorrektur nach Wachstumsabschluss vermieden werden kann.
Was übernimmt die Kasse?
Die Kosten für eine notwendige kieferorthopädische Behandlung bei Patienten zwischen dem 10. und 18. Lebensjahr werden von der Krankenkasse übernommen. Behandlungen, die über das Angebot des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, müssen die Patienten selbst finanzieren. Hierzu können beispielweise gehören: Kosten für spezielle zahnfarbene oder selbstligierende Brackets, Lingualtechnik, hochelastische Drähte aus Speziallegierungen, Funktionsanalyse und Glattflächenversiegelung.
Grundsätzlich zahlt die Krankenkasse nur für ausgeprägte Zahnfehlstellungen und Kieferanomalien, deren Korrektur aus medizinischen Gründen notwendig bzw. dringend erforderlich erscheint.
Die Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung, die nach Beendigung des 18. Lebensjahres begonnen wird, übernimmt die gesetzliche Krankenkasse - von wenigen Ausnahmefällen abgesehen - nicht.