Systematische Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen

Neue Regelungen seit Juli 2021

Mit der Richtlinie zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen (PAR-Richtlinie) wurde die parodontologische Versorgung im Juli 2021 auf eine neue Grundlage gestellt. Zahnärztinnen und Zahnärzte bekommen in ihren Praxen die notwendigen Instrumente an die Hand, um den jahrelangen Stillstand in der Parodontitistherapie zu beenden.

Die zahnmedizinische Wissenschaft hat zuletzt große Fortschritte sowohl in der Erforschung als auch in einer effektiven, nachhaltigen Behandlung der Volkskrankheit Parodontitis gemacht. Parodontale Erkrankungen sind nach wie vor die Hauptgründe für den Verlust von Zähnen bei Erwachsenen. Nach aktuellen Berechnungen sind allein in Deutschland fast 12 Millionen Erwachsene von einer schweren parodontalen Erkrankung betroffen. Die Zusammenhänge von Parodontitis mit zahlreichen Erkrankungen des Gesamtorganismus wie Diabetes mellitus, koronaren Herzerkrankungen, Schlaganfall und rheumatoider Arthritis zeigen, dass es sich nicht um eine Bagatellerkrankung handelt.

In der gesetzlichen Krankenversicherung ist die systematische Behandlung von Parodontitis jedoch seit Jahrzehnten unverändert geblieben. Die bisherige Behandlungs-Richtlinie war völlig veraltet. Die KZBV hat sich daher seit Jahren dafür eingesetzt, dass gesetzlich Versicherte eine Parodontitistherapie bekommen, die dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entspricht. Mit der PAR-Richtlinie wurde diese Lücke in der Versorgung geschlossen.

Die neue Behandlungsstrecke

Die Inhalte der neuen Richtlinie setzen auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der neuen Klassifikation parodontaler Erkrankungen der Fachgesellschaften auf. Die Erkrankung kann auf dieser Grundlage mit umfassenden, am individuellen Bedarf der Patienten ausgerichteten Maßnahmen bekämpft werden. Sie erhalten im Zusammenhang mit der eigentlichen antiinfektiösen Therapie eine individuelle Mundhygieneunterweisung, die in einem eigenen Therapieschritt um ein parodontologisches Aufklärungs- und Therapiegespräch ergänzt wird. Dies schafft ein Verständnis für die Auswirkungen der Erkrankung und stärkt zugleich die Mitwirkung der Versicherten. Die „sprechende Zahnmedizin“ in der Parodontitistherapie findet damit erstmals Eingang in die GKV-Versorgung. Die Maßnahmen dienen dazu, die Mundhygienefähigkeit und Gesundheitskompetenz zu erhöhen und Patienten aktiv in die Therapie einzubinden.

Darüber hinaus wurde der Parodontale Screening Index als echtes Screeninginstrument ausgestaltet und an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst. So bekommen Zahnärzte ein wirksames Instrument der Früherkennung an die Hand.

Die unterstützende Parodontitistherapie, kurz UPT hat einen zentralen Stellenwert – nicht zuletzt im Hinblick auf die nachhaltige Sicherung des Behandlungserfolgs. Sie ist ein wesentlicher Therapieschritt, um die Ergebnisse der antiinfektiösen und gegebenenfalls chirurgischen Therapie zu sichern, die Patientenmotivation und die Aufrechterhaltung der Mundhygiene zu fördern, zu erhalten und nicht befallenes Gewebe gesund zu halten. Neu- und Reinfektionen in behandelten Bereichen können erkannt und bestehende Erkrankungen eingedämmt werden.

Die UPT besteht aus einer Mundhygienekontrolle, wenn erforderlich einer erneuten Mundhygieneunterweisung, der vollständigen Reinigung aller Zähne von Biofilmen und Belägen, je nach Grading erneuten Messungen von Sondierungstiefen der Zahnfleischtaschen und Sondierungsbluten sowie gegebenenfalls erneuter subgingivaler Instrumentierung an den betroffenen Zähnen und – ab dem zweiten Jahr – einer jährlichen Untersuchung des Parodontalzustandes. Diese Maßnahmen sollen für einen Zeitraum von zwei Jahren regelmäßig erbracht werden. Die Häufigkeit richtet sich dabei nach dem festgestellten Grading im Rahmen der Ersterhebung zu Beginn der Therapie und liegt zwischen ein- und dreimal pro Jahr. Es besteht auch die Möglichkeit einer Verlängerung der UPT. Voraussetzung ist die Genehmigung der Kasse.

Versicherte haben mit der UPT also in einem Zeitraum von zwei Jahren nach Abschluss der aktiven Behandlungsphase einen verbindlichen Anspruch auf eine strukturierte Nachsorge, die bedarfsgerecht an das individuelle Patientenrisiko angepasst wird. Ihr geht dabei erstmals auch eine zielgerichtete Evaluation der Ergebnisse der aktiven Behandlungsphase voraus.

Unterstützung für vulnerable Gruppen

Auch besonders vulnerable Gruppen erhalten einen gleichberechtigten und barrierearmen Zugang zur Parodontitistherapie im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung. Auf Grundlage einer entsprechenden Behandlungsrichtlinie besteht für diese Versicherten seit Juli 2021 die Möglichkeit einer bedarfsgerecht modifizierten Behandlungstrecke zur Behandlung von Parodontitis außerhalb der systematischen PAR-Behandlung. Diese niedrigschwellige Option richtet sich vor allem an ältere, pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit einer Beeinträchtigung, bei denen die systematische Behandlung gemäß PAR-Richtlinie nicht in vollem Umfang durchgeführt werden kann. Dazu zählen Patienten, bei denen die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Mundhygiene nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist, die einer Behandlung in Allgemeinnarkose bedürfen, oder bei denen die Kooperationsfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist. Der Zugang zu diesen Leistungen ist dabei unbürokratisch niedrigschwellig im Rahmen der Anzeigepflicht bei den Kassen ausgestaltet.

Beide Richtlinien zusammen schaffen die Voraussetzungen dafür, um der Volkskrankheit Parodontitis erfolgreich begegnen und die hohe Krankheitslast in Deutschland senken zu können.

Honorierung der neuen Leistungen

Eine zeitgemäße Therapie kann nur dann effektiv in der Versorgung umgesetzt werden, wenn die Leistungen angemessen honoriert werden. Die KZBV hat sich mit den gesetzlichen Krankenkassen im Bewertungsausschuss einvernehmlich auf eine adäquate Vergütung geeinigt. Insbesondere die „neuen“ Leistungen, wie die unterstützende Parodontitistherapie, die Evaluation und die Gesprächsleistungen werden angemessen honoriert. Die gesamte Behandlungsstrecke erfährt in der Praxis so eine deutliche Aufwertung.

Neben der Bewertung wurden Leistungsbeschreibungen und Abrechnungsbestimmungen festgelegt, also die Gebührennummern des Bewertungsmaßstabes zahnärztlicher Leistungen zur Abrechnung der entsprechenden vertragszahnärztlichen Leistungen, die in vertragszahnärztlichen Praxen herangezogen werden können.

Videos

Zahnarztpraxen erhalten in einer dreiteiligen Videoserie alle relevanten Informationen, um die neue PAR-Richtlinie in der Versorgung ihrer Patienten zielgerichtet umzusetzen.

Teil 1

Erläuterung der neuen Leistungsstrecke der systematischen PAR-Therapie sowie zentrale standespolitische und wissenschaftliche Hintergründe. Zu Wort kommen Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV, Martin Hendges, stellv. Vorsitzender des Vorstandes, Prof. Dr. Bettina Dannewitz, Präsidentin der DG PARO sowie Prof. Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des G-BA.

Teil 2

Dr. Wolfgang Eßer und Martin Hendges erläutern Schritt für Schritt die entsprechenden BEMA-Positionen, Formulare sowie die Beantragung, Bewertung und Abrechnung der neuen PAR-Leistungen inklusive entsprechender Übergangsregelungen für Behandlungen, die vor dem 1. Juli 2021 begonnen wurden. Das Erklärvideo dient vor allem der Information von behandelnden Zahnärzte und ihren Teams.

Teil 3

Der dritte Teil erläutert die Leistungen und zu beachtenden Regelungen zur PAR-Behandlung vulnerabler Gruppen im Detail. Für diese Versicherten steht seit Juli 2021 eine bedarfsgerecht modifizierte, bürokratie- wie barrierearme Behandlungstrecke zu Verfügung, mit der eine Behandlung von Parodontitis außerhalb der systematischen PAR-Behandlung möglich ist.

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