Rede Martin Hendges
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
zunächst einmal darf ich mich im Namen des neu gewählten Vorstandes für Ihr großes Vertrauen bedanken. Dieses überzeugende Votum gibt uns die unbedingt erforderliche Legitimation und die Kraft, die vor uns liegenden Aufgaben tatkräftig anzugehen und uns den vielzähligen Herausforderungen, zu denen ich gleich auch noch etwas sagen möchte, zu stellen. Bevor ich auf das schaue, was vor uns liegt, gilt es kurz auf das zurückzublicken, was wir im Vorstand und mit Ihnen gemeinsam in der letzten Legislatur erreichen konnten und das trotz immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen.
Erfolge fallen nicht vom Himmel, sondern gründen auf Expertise, Einsatzwillen, Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen, Überzeugungskraft, Glaubwürdigkeit und nicht zuletzt auf Teamarbeit. Letztere bedingt eine funktionierende Verwaltung, auf die wir alle stolz sein können und deshalb gilt unser Dank allem voran den über 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KZBV, die nicht nur ihre Expertise jeden Tag zur Verfügung stellen, sondern sich mit der Zahnärzteschaft und der KZBV als Selbstverwaltung identifizieren. Die meisten von Ihnen kennen die vielen Führungskräfte im Hause der KZBV, bei denen ich mich im Namen des Vorstandes und sicherlich auch in Ihrem Namen stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz herzlich bedanken darf!
Wenn ich kurz auf die letzten 6 Jahre zurückblicken darf, dann stand vor allem eine kontinuierliche Verbesserung der Mundgesundheit auf unserer Agenda, sei es im Bereich ECC, AuB und nicht zuletzt beim Thema „Volkskrankheit Parodontitis“. Aber auch Ergebnisse, wie die Pandemiepauschale oder das Erreichen gesetzlicher Regelungen wie das Aussetzen von Obergrenzen für die Jahre 2021 und 2022 sind Ausfluss von harter Arbeit auf allen Ebenen, basierend auf einer hervorragenden Datenbasis, die wir schaffen konnten, und setzen politisches Gehör voraus.
Dass Vieles von dem hier nur ausschnittsweise Genannte auf den Bemühungen und dem unermüdlichen Einsatz von Wolfgang beruhen, verdient unser aller Dank und den großen Respekt vor solch einer außerordentlichen Leistung, zu der ich aber am Schluss meiner Rede noch einmal ganz gesondert zurückkommen darf. Insofern erlauben Sie mir bitte einen kurzen Blick nach vorne, der ungleich schwerer sein wird als der Blick nach hinten.
Nicht alleine die einschneidenden Ereignisse der letzten drei Jahre wie die Corona-Pandemie mit all ihren Auswirkungen, der menschenverachtende Ukrainekrieg und dessen Folgen wie Energiekrise und steigende Inflation stellen uns für die kommende Legislatur vor große Herausforderungen. Hinzu kommt der von Wolfgang viel zitierte „Klimawandel“ in der Gesundheitspolitik, der unter der jetzigen politischen Führung in all seinen Facetten und mit voller Härte zu Tage tritt.
Dabei scheint das GKV-FinStG nur der Anfang einer auf Dauer geplanten Kostendämpfungspolitik zu sein, durch die die wahren Baustellen im Gesundheitswesen verschleiert werden sollen und man unter Heranziehung billiger Stilmittel, wie das Schüren von Sozialneid durch Bilder des „Porsche-fahrenden Zahnarztes mit Haus auf Mallorca“, einzig und allein die belasten will, die die eigentlichen Leistungsträger im System sind und jeden Tag eine qualitativ hochwertige Versorgung in ihrer Praxis vor Ort sicherstellen. Dass dieser Weg das jetzige Gesundheitssystem nicht im Sinne der Versorgung reformiert, sondern letztendlich massiv destabilisieren wird, ist uns allen hier und heute mehr als bewusst.
Ungeachtet dessen scheinen Sachargumente, Fakten und negative Entwicklungen, die schon seit längerem sichtbar werden, einen Gesundheitsminister nicht davon abzuhalten, ohne Einbeziehung derer, die wirklich Leistung erbringen, diesen fatalen Weg auch zukünftig weiterbeschreiten zu wollen und dies auch noch von den anderen an der Regierung beteiligten Parteien entweder aus Überzeugung oder vielleicht aus Desinteresse gebilligt zu werden.
All das wird es uns in der neuen Legislatur schwermachen, unsere Vorhaben umzusetzen, Erfolge wie in der Vergangenheit verbuchen zu können und die Versorgung auf dem jetzigen Niveau auch zukünftig sicherstellen zu können. Umso wichtiger und bedeutsamer wird es sein, das bisher Erreichte zu bewahren und sich einem Systemumbau mit weiterer Entrechtung der Selbstverwaltung und Marginalisierung der Freiberuflichkeit entgegen zu stellen.
Diese politischen Fehlentwicklungen werden uns aber nicht davon abhalten, die in unserer Agenda festgelegten Ziele und unsere zentralen Erwartungen an die Politik mit aller Vehemenz vorzutragen und deren Umsetzung einzufordern. Wir stehen nach wie vor für eine kontinuierliche Verbesserung der Mundgesundheit, für eine wohnortnahe und flächendeckende Versorgung, für eine starke Selbstverwaltung und für ein duales Versicherungssystem. Um das alles zu erhalten oder zu erreichen, muss der besagte Klimawandel gestoppt werden, die Weichen von der Politik wieder in die richtige Richtung gestellt werden und die Wertigkeit der ambulanten Versorgung endlich wieder nach vorne gerückt werden.
Eine Politik, die diejenigen nicht mit in Reformen einbezieht, die letztendlich die Versorgung der Patienten mit hohem Einsatz und Idealismus sicherstellen, sondern vielmehr glaubt, vom Schreibtisch aus in theoretischen Denkmodellen schwebend Lösungen finden zu wollen, muss scheitern und nimmt billigend in Kauf, dass die Versorgung der letzten Jahrzehnte zum Auslaufmodell wird. Statt die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und Anwendungen, die die Versorgung wirklich verbessern und Praxen entlasten, zu fördern, wirft man nicht ausreichend erprobte, wenig nutzenstiftende TI-Prozesse auf den Markt. Statt Anreize zu setzen und diejenigen zu motivieren, die alles umsetzen müssen, konfrontiert man Praxen mit Sanktionen, macht sie zum Beta-Tester und wundert sich dann, dass sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten und Zahnärzten keine Akzeptanz entsteht.
Wir dürfen gespannt sein, ob der Gesetzgeber im Rahmen der bevorstehenden „Digitalisierungsreform“ die Fehler der Vergangenheit korrigiert. Auch in diesen Prozess werden wir uns weiterhin konstruktiv-kritisch einbringen. Losgelöst davon wird es unsere Aufgabe sein, weitere sinnstiftende Anwendungen wie das EBZ aus der Praxis heraus zu entwickeln.
Nicht anders sieht es mit dem Thema „Bürokratiewahn“ aus. Überhäuft mit nicht praxisrelevanten Anforderungen an die Dokumentation von Prozessen und Abläufen scheint die Schaffung von immer mehr Bürokratie zum Selbstzweck derer geworden zu sein, die sich dies im stillen Kämmerlein ausdenken und selbst nie in der Versorgung tätig waren. Umso mehr wird es darauf ankommen, welche Ansätze in dem vom Gesundheitsminister angekündigten „Bürokratieentlastungsgesetz“ zu erkennen sind, oder ob es eine leere Worthülse bleibt. Unsere Aufgabe wird es sein, in der Gesetzgebungsphase unsere eigenen Vorschläge zur Bürokratieentlastung und Bürokratiebewältigung aktiv einzubringen und durchzusetzen.
Und wenn ich anfangs von wohnortnaher und flächendeckender Versorgung gesprochen habe, dann ist auch hier Politik gefordert, Fehler der Vergangenheit schnellst möglich zu korrigieren. An erster Stelle gilt es einer fortschreitenden Vergewerblichung Einhalt zu gebieten und endlich den Zugang für versorgungsfremde Investoren zu stoppen. Auch hier gibt es Ankündigungen des Ministers, die Erwartungen wecken. Nur der Weg zwischen Ankündigung und Wirklichkeit ist lang und bietet bekanntermaßen auf der Strecke viele Möglichkeiten abzubiegen oder sogar wieder umzukehren. Wir werden auf jeden Fall nicht davon ablassen, die negativen Folgen dieser Vergewerblichung faktenbasiert transparent zu machen und die Öffentlichkeit mit einzubeziehen.
Komme ich damit zum Kernthema „Kostendämpfungspolitik“ und anstehende Gesundheitsreformen zurück. Der alte Vorstand mit Wolfgang an der Spitze stand immer für eine konstruktiv-kritische Begleitung von Gesetzgebungsverfahren. Dialogbereitschaft, Sachorientierung und faktenbasiertes Handeln standen im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Das haben wir mit Überzeugung bekanntermaßen auch im Rahmen des GKV-FinStG versucht, mussten aber erleben, dass Fakten nicht zählen, dass Argumente zwar überzeugen, aber nicht zum Handeln zwingen und ideologische Ansichten letztendlich Überhand gewinnen.
Was bedeutet das für uns in den kommenden Monaten und Jahren?
Wir müssen entscheiden, ob Dialogbereitschaft und Sachargumentation alleine unsere Handlungsmaximen bestimmen, oder wir komplementär aufgefordert sind, plakativ und fokussiert die Fehler dieser Regierungskoalition und im besonderen Maße die des Gesundheitsministers öffentlich zu machen, unsere Patientinnen und Patienten mit einzubeziehen und über die fatalen Folgen dieser verfehlten Gesundheitspolitik aufzuklären. Auch die Krankenkassen können hier nicht außen vorbleiben und müssen ggf. wieder in den Wettbewerb gestellt werden.
Wenn das Heben von angeblichen „Wirtschaftlichkeitsreserven bei der Ärzte- und Zahnärzteschaft“ die Leitlinie für politische Entscheidungen ist, man glaubt, dass bei strikter Budgetierung keine Leistungskürzungen für GKV-Versicherte zustande kommen, man die Mittel für die Bekämpfung einer Volkskrankheit „Parodontitis“ einfach wieder streicht, wenn man despektierlich die Selbstverwaltung als „Truppe von Lobbyisten“ bezeichnet und uns immer mehr unserer Handlungsfelder berauben will, dann sind wir gehalten, unsere Stimme deutlich zu erheben.
Folgen des mehrfach zitierten „Klimawandels in der Politik“ sind aber auch in unserem eigenen Berufsstand ablesbar. Allgemeine Politikverdrossenheit schlägt auch auf Standespolitik über, was die Wahlbeteiligungen in den Ländern deutlich macht. Aber auch der Blick auf die Selbstverwaltung und deren Bedeutung ist verzerrt. Verfehlte Gesundheitspolitik wird als Misserfolg der Standesvertretung verbucht, Erfolge bestenfalls dankend angenommen oder gar nicht wahrgenommen.
Die Vielzahl der Anforderungen außerhalb der eigentlichen Behandlung frustriert die Praxen und schafft ein subjektives Bild der Unzufriedenheit. Fachkräftemangel, steigende Kosten durch Energie und Inflation verschärfen die gesamte Problematik. Das alles macht es uns noch schwerer, junge Zahnärztinnen und Zahnärzte für die Niederlassung zu begeistern, ihnen den Wert der Selbstständigkeit zu vermitteln und die Bedeutung von Selbstverwaltung zu verdeutlichen. Also liegt auch hier eine schwierige Aufgabe vor uns, gegen diesen Trend zu wirken, die Kollegenschaft mitzunehmen, zu motivieren und auch für Selbstverwaltung zu begeistern.
Alles zuvor Gesagte an Zielen und Aufgaben werden wir jedoch nur erreichen, wenn wir noch enger zusammenrücken, uns keine internen Grabenkämpfe liefern, die Verantwortung, die uns von unseren Kolleginnen und Kollegen übertragen wurde, ernst nehmen, persönliche Eitelkeiten hintenanstellen und körperschaftsübergreifend im Schulterschluss mit Verbänden geschlossen nach innen und außen auftreten.
Insofern freuen wir uns als neu gewählter Vorstand sehr darüber, wenn Sie diese Sichtweise mit uns teilen und wir wirklich mit einer Stimme sprechen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Bild: © KZBV/Knoff