Eingangsstatement Dr. Wolfgang Eßer
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär Gebhart,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich begrüße Sie herzlich zum diesjährigen Frühjahrsfest der Zahnärzteschaft.
Das Frühjahrsfest von KZBV und BZÄK in der Britischen Botschaft in Berlin hatte ja fast schon Tradition – unsere langjährigen Gäste wissen das. Dass wir Sie heute hier im Bärensaal im Alten Stadthaus begrüßen dürfen, liegt, so viel sei verraten, nicht etwa am Brexit. Sie haben es heute Morgen sicher schon in der Zeitung gelesen: Berlin und die Britische Botschaft haben königlichen Besuch: Der britische Thronfolger und seine Frau sind in der Stadt.
Ich freue mich daher ganz besonders darüber, dass wir unser Frühjahrsfest dieses Jahr an einem politisch und historisch nicht weniger interessanten Ort mit Ihnen begehen dürfen. 1990 wurde im Bärensaal an der Geschichte der deutschen Einheit mitgeschrieben. Die Verhandlungen über den Vertrag zur deutschen Wiedervereinigung haben auch hier stattgefunden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
diese politisch bewegten Zeiten liegen weit hinter uns. Trotzdem ist die heutige Zeit mit ihren vielfältigen Herausforderungen nicht weniger bewegt.
Zurückblickend auf das vergangene Jahr darf ich Ihnen aus Perspektive der zahnärztlichen Versorgung sagen, dass uns seit 30 Jahren kein Thema mehr so in Atem gehalten hat, wie das massive Eindringen versorgungsfremder Finanzinvestoren in unseren zahnärztlichen Versorgungsbereich.
Das rasante Expansionstempo zeigt deutlich, wie Finanzinvestoren und Private-Equity-Gesellschaften binnen kürzester Zeit den zahnärztlichen Versorgungsbereich dominieren – ich scheue mich nicht zu sagen, kanibalisieren – würden, sollte es nicht gelingen, ihre Marktbeherrschungspläne einzudämmen.
Es stand und steht nicht mehr oder weniger auf dem Spiel als die Zukunft der Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung und der freiberuflichen zahnärztlichen Berufsausübung. Beides Grundfeste unseres freiheitlichen Gesundheitswesens und Voraussetzung für Therapiefreiheit, freie Arztwahl und eine qualitativ hochwertige wohnortnahe Versorgung.
Die erschreckenden Beispiele vor unserer Haustür sollten uns alle aufhorchen lassen: In Spanien, Frankreich oder auch Großbritannien ist die Kommerzialisierung und Industrialisierung der zahnärztlichen Versorgung bereits sehr viel weiter fortgeschritten – mit schlimmsten Folgen für die Patientenversorgung.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
wir begrüßen es daher, dass es der Koalition gelungen ist, im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes einen Weg zu finden, den bis dato nahezu ungebremsten Zustrom von Fremdinvestoren und Private Equity-Fonds in den zahnärztlichen Versorgungsbereich ordnungspolitisch zu regulieren.
Mit der gestaffelten Beschränkung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern für zahnärztliche MVZ ist nun ein Weg eingeschlagen, der auf der einen Seite Anbietervielfalt in unserem Versorgungssystem ermöglichen und auf der anderen Seite die Sicherstellung einer wohnortnahen und flächendeckenden Versorgung der Patientinnen und Patienten in ganz Deutschland gewährleisten soll.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, im Namen aller Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte möchte ich Ihnen daher stellvertretend für Ihr Haus und natürlich Herrn Bundesgesundheitsminister Spahn herzlich dafür danken, dass Sie diese Weichenstellung möglich gemacht haben. Danke für das Vertrauen, dass Sie in die Vertragszahnärzteschaft haben!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir haben viele Gespräche geführt. Wir haben diskutiert, Positionen ausgetauscht und um Lösungen gerungen. Hervorheben möchte ich, dass unser Diskurs immer sehr konstruktiv und zielgerichtet war. Auch Ihnen möchte ich dafür meinen herzlichen Dank aussprechen!
Die KZBV hat zu Beginn dieser Legislaturperiode das Versprechen gegeben, aktiv und konstruktiv daran mitzuarbeiten, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die es braucht, um auch weiterhin in 5, 10 und 15 Jahren die vertragszahnärztliche Versorgung und den Sicherstellungsauftrag auf hohem Niveau zu gewährleisten.
Das Risiko, dass die zahnärztliche Versorgung von versorgungsfremden Investoren völlig überrollt wird, scheint nun zunächst verkleinert. Ob die Gefahr wirklich gebannt ist, werden uns die Entwicklungen in den nächsten Monaten und in den kommenden Jahren zeigen.
Wir werden daher genau beobachten und evaluieren, wie sich die MVZ-Regelung in der Praxis auf die Investitionsbestrebungen von Private-Equity-Investoren auswirken wird. Wir werden dies, wie Sie es von uns kennen, anhand belastbarer Daten und Analysen tun.
Nachdem aktuelle Publikationen, wie der „Transaktionsmonitor Gesundheitswesen“ der Unternehmens- und Wirtschaftsberatung PricewaterhouseCoopers vom April 2019, zu dem Ergebnis gekommen sind, dass allein von September 2017 bis September 2018 die Zahl von vertragszahnärztlichen MVZ in der Hand von Private Equity Investoren um 79 Prozent gestiegen sind, haben wir festgestellt, dass auch in der Folgezeit von Oktober 2018 bis März 2019 die Zahl von MVZ in Investorenhand erneut um 76 Prozent gestiegen ist.
Ich kann daher nur erneut betonen: Ein wesentlicher Grund dafür, dass unser Gesundheitswesen zu einem der besten der Welt zählt, basiert auf dem nahezu uneingeschränkten Vertrauen der Menschen darauf, dass ihre Ärzte und Zahnärzte sie nach bestem Wissen und Gewissen, nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse, weisungsunabhängig und frei von wirtschaftlichen Interessen Dritter versorgen.
Geht dieses Vertrauen in einem zunehmend vergewerblichten und renditeorientierten System verloren, wird ein Grundpfeiler der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge unwiederbringlich zerstört.
Grund genug die Entwicklung einerseits kritisch zu beobachten und andererseits auf der Grundlage dieser Erkenntnisse Konzepte zu entwickeln und die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Niederlassung junger Zahnärztinnen und Zahnärzte in freiberuflicher Selbständigkeit gefördert wird. Dabei müssen wir dem Anliegen der jungen Generation zum Beispiel nach einer ausgewogenen „work-life-balance“ Rechnung tragen.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich bin ausgesprochen dankbar, dass das TSVG insgesamt aus zahnärztlicher Sicht viele gute Nachrichten und positive Signale enthält.
Ganz besonders habe ich mich auch darüber gefreut, dass mit der Erhöhung der Festzuschüsse und der Mehrkostenregelung in der kieferorthopädischen Versorgung konkrete Verbesserungen für die zahnärztliche Versorgung unserer Patientinnen und Patienten auf den Weg gebracht wurden.
Dem Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland und eine gute Versorgung vor Ort zu schaffen, hat sich die KZBV immer verpflichtet gefühlt.
Dass mit der Abschaffung der Degression im TSVG ein echter „Killer“ gleichwertiger Lebensbedingungen endlich den Weg in die Geschichtsbücher gefunden hat, ist daher für mich ein versorgungspolitischer Meilenstein.
Meine Damen und Herren, wir als KZBV haben uns gemeinsam mit den KVZen nach Beschlussfassung des TSVG im Rahmen einer Klausurtagung Zeit genommen, um unseren Blick nach vorne zu richten. Wir haben eine Reihe von Themen auf unserer Agenda: Wir haben uns intensiv zu Sicherstellung der Versorgung und Sicherstellungsinstrumenten ausgetauscht.
Wir warten nicht ab, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wir haben Augen und Ohren an den Sorgen und Nöten der Patienten, der Versorgungsituation vor Ort und am Berufsstand.
Im Rahmen des TSVG hatten wir daher darum gebeten, uns weitere Steuerungsinstrumente zur Sicherstellung der Versorgung an die Hand zu geben. Hier sehen wir weiterhin Handlungsbedarf!
Aus unserer Agenda Mundgesundheit möchte ich zum Schluss noch folgende Punkte schlaglichtartig herausgreifen:
Wir setzen auf den weiteren Ausbau unserer erfolgreichen Präventionsstrategie.
Im G-BA verhandeln wir aktuell die Richtlinie zur Behandlung von Parodontitis neu und werden genau schauen, welcher Anpassungsbedarf im SGB V zur Umsetzung der Bausteine unseres Versorgungskonzeptes notwendig sein wird.
Insbesondere auch die Rolle der Selbstverwaltung, die Arbeitsweise des G-BA, die Approbationsordnung und natürlich die Bedeutung der Digitalisierung für die zahnärztliche Versorgung sind für uns zentrale Themen.
Wir sind uns einig: Die Anbindung an die Telematikinfrastruktur ist eine absolute Grundvoraussetzung, damit wir als Berufsstand, zusammen mit den anderen Heilberufen und den Krankenkassen, den Weg in die digitale Zukunft des Gesundheitswesens gehen können.
Für uns Zahnärztinnen und Zahnärzte ist es aber mindestens genauso wichtig, dass wir dann möglichst schnell konkrete, nutzenstiftende Anwendungen umsetzen – sie in die Zahnarztpraxen und zu den Patientinnen und Patienten bringen. Damit müssen wir überzeugen. Sanktionen sind der falsche Weg!
Eine Chance bieten digitale Anwendungen insbesondere dann, wenn sie dazu beitragen, Bürokratielasten zu bewältigen, Prozesse zu vereinfachen und sie effizienter zu gestalten, sodass mehr Zeit für die eigentliche Aufgabe, die Patientenbehandlung bleibt.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
ich möchte Sie einladen, zur Sicherstellung und Gestaltung der vertragszahnärztlichen Versorgung und den vielen Themen auf unserer Agenda mit uns im Dialog zu bleiben! Ich wünsche uns allen gute und lebhafte Gespräche, später einen Bärenhunger hier im Bärensaal und einen angenehmen Abend!
Lieber Herr Staatssekretär, damit darf ich Ihnen das Wort übergeben.