Eingangsstatement Martin Hendges
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dittmar,
sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Frühjahrsfest der Zahnärzteschaft war und ist im politischen Berlin gute Tradition. Ich freue mich daher ganz besonders, dass ich Sie nach langer pandemiebedingter Pause hier und heute im Namen des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung begrüßen darf.
An Sie und Ihr Team, lieber Herr Ertner, einen herzlichen Dank für die Möglichkeiten, diese Tradition bei Ihnen in der Landesvertretung wiederaufleben zu lassen.
Sie haben in Ihrer Begrüßung deutlich gemacht, warum hier am Rande des Tiergartens nicht allein ein architektonisches Highlight steht, sondern ein hochpolitisches Haus, ein Scharnier des Föderalismus und ein Forum der Begegnung. Vor diesem Hintergrund brauche ich nicht viele Worte darauf zu verwenden, warum es kaum einen passenderen Ort für den heutigen Anlass geben könnte.
Und lassen Sie mich noch eine weitere Parallele ziehen:
Genau wie Baden-Württemberg im politischen Berlin eine sehr selbstbewusste Rolle pflegt, hat auch die Zahnärzteschaft immer den Anspruch zu wirken – und zwar als starke Stimme in unserem Gesundheitssystem.
Wir Zahnmediziner sind uns der hohen Verantwortung, die wir für die Gesundheit unserer Patienten haben, absolut bewusst. Gleiches gilt für die Gemeinwohlorientierung, die bei uns Freiberuflern zur DNA gehört. Darauf sind wir stolz.
Und wer uns kennt, der weiß, dass wir Zahnärztinnen und Zahnärzte dieses Selbstverständnis auch in der Selbstverwaltung leben. Aus diesem Grund stand und steht für uns im Vorstand an erster Stelle, die Mundgesundheit in Deutschland kontinuierlich zu verbessern, sei es bei der Prävention im Bereich Kinderkaries, bei der Versorgung von Pflegebedürftigen oder bei der Bekämpfung der „Volkskrankheit“ Parodontitis.
Vieles von dem, was ich hier nur ausschnittsweise aufzähle, ruht ganz wesentlich auf den Schultern von Wolfgang Eßer, der diese Erfolge in über 10 Jahren als Vorstandsvorsitzender der KZBV maßgeblich gestemmt hat.
Lieber Wolfgang, ich will es an dieser Stelle kurz machen:
Du bist die beste Werbung für unser selbstverwaltetes Gesundheitssystem. Und für dein leidenschaftliches Engagement, mit dem Du in über 30 Jahren die zahnärztliche Patientenversorgung in unserem Land geprägt hast, gebührt Dir unser herzlicher Dank.
Auch in Zukunft werden wir uns im neu gewählten Vorstand mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die KZBV weiterhin eine starke Stimme im Gesundheitswesen bleibt, eine starke Stimme für moderne Zahnmedizin, für wohnortnahe Versorgung, für den Wert von Selbstverwaltung und Freiberuflichkeit.
Um es kurz zu machen: Wir wollen weiter „Gesundheit gestalten“. Verlässlich und präventionsorientiert. Dafür bin ich als Vorstandsvorsitzender der KZBV angetreten. Und dafür stehe ich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Staatsekretärin,
bitte sehen Sie es mir nach, dass ich an dieser Stelle zwei Themen anspreche, die uns ganz besonders auf den Nägeln brennen:
Punkt 1: Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, wie maßlos enttäuscht wir über das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sind, mit dem der Gesundheitsminister ohne Not die zahnärztliche Versorgung zur Zielscheibe kurzsichtiger Kostendämpfungspolitik gemacht hat.
Dazu muss man wissen: Die Zahnärzteschaft hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten durch eine konsequent präventionsorientierte Neuausrichtung nicht nur die Mundgesundheit in Deutschland nachhaltig verbessert, sondern auch einen erheblichen Beitrag zur Stabilität der Kassenfinanzen geleistet: Während in anderen Versorgungsbereichen die Ausgabenanteile stetig gewachsen sind, haben wir die anteiligen Ausgaben der Krankenkassen um gut ein Drittel gesenkt.
Vor diesem Hintergrund haben wir auch immer wieder betont: Dieses Gesetz trifft die Falschen, denn wir sind ein effizient und nachhaltig wirtschaftender Versorgungsbereich.
Und mit Nachdruck haben wir vor den Negativfolgen für die Patientenversorgung gewarnt, die dieses Gesetz nach sich ziehen wird, wobei Fachkräftemangel, steigende Energiekosten und Inflation die gesamte Problematik noch einmal verschärfen.
Ich rede hier nicht alleine von den Versorgungsstrukturen, die dieses Gesetz gerade im ländlichen und strukturschwachen Raum langfristig schwächen wird.
Besonders fatal ist auch, dass die strikte Budgetierung der neuen, präventionsorientierten Parodontitis-Therapie die finanzielle Grundlage entzieht.
Das, was zuvor als „Meilenstein“ für die Mund- und Allgemeingesundheit gefeiert wurde, hat das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz quasi über Nacht und per Federstrich zur Disposition gestellt.
Die Leidtragenden dieser Politik, die sich im Koalitionsvertrag eigentlich Prävention und Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, werden die Patientinnen und Patienten sein, denn ohne die erforderlichen finanziellen Mittel werden wir die neue Parodontitis-Therapie nicht flächendeckend auf ein hohes Niveau heben können.
Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist Sparen auf Kosten von Prävention und Sparen auf Kosten der Gesundheit unserer Patienten!
Liebe Frau Staatssekretärin, liebe Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP,
nehmen Sie die im Gesetz verankerte Evaluationsklausel zur Parodontitisversorgung zum Anlass, um diese versorgungspolitische Katastrophe noch abzuwenden. Setzen Sie sich für eine moderne, präventionsorientierte Zahnmedizin ein. Und sorgen sie dafür, dass die Budgetierung schnellstmöglich wieder abgeschafft wird.
Für diese Ziele werden wir uns in den nächsten Wochen und Monaten mit Nachdruck einsetzen. Wir werden uns lautstark und auch öffentlich wahrnehmbar zu Wort melden.
Meine verehrten Damen und Herren,
als zweites möchte ich Ihren Blick auf die eingangs erwähnten freiberuflichen, wohnortnahen Versorgungsstrukturen richten. Einige von Ihnen werden vielleicht ahnen, was jetzt kommt, denn beim Thema Fremdinvestoren legen wir seit Jahren den Finger in die Wunde.
Wir haben mit mehreren Analysen und Gutachten nachgewiesen, welche Gefahren es für die Patienten hat, wenn man Private-Equity-Fonds und anderen Spekulanten die Versorgung überlässt. Die Fakten liegen heute alle auf dem Tisch.
Das sehen übrigens nicht nur wir so: Viele ärztliche Organisationen haben sich sehr deutlich gegen investorengetragene MVZ positioniert. Selbst aus dem Lager der Krankenkassen höre ich mittlerweile immer mehr kritische Stimmen.
Ganz deutlich und einstimmig ist die Position, wenn wir auf die Länder schauen: Die GMK hat im März schon den insgesamt dritten Beschluss gefasst, der eine stärkere Regulierung von Investoren-MVZ von der Bundesregierung einfordert. Auch eine Initiative im Bundesrat ist in Arbeit.
Und natürlich kennen wir die Ankündigung von Herrn Lauterbach, der uns ja versprochen hat, dem Treiben der Investoren einen Riegel vorzuschieben. – Doch wissen wir auch: Der Weg ins Bundesgesetzblatt ist lang und bietet bekanntermaßen viele Möglichkeiten falsch abzubiegen. Davor kann ich nur warnen!
Niemand darf bei diesem Thema weiter die Augen verschließen. Es ist höchste Zeit, den unverkennbaren Fehlentwicklungen entgegen zu wirken und die Ausbreitung investorengetragener MVZ wirksam einzudämmen.
Für den zahnärztlichen Bereich gehört dazu, den mit dem TSVG beschrittenen Sonderweg konsequent weiterzugehen: Zahnärztliche MVZ sollten nur innerhalb eines sehr begrenzten Einzugsbereiches des Trägerkrankenhauses gegründet werden, und nur dann, wenn diese Krankenhäuser auch schon vorher an der zahnärztlichen Versorgung beteiligt waren. Neben der räumlichen kommt es vor allem auf diese fachliche Begrenzung an. Das ist für uns der ganz entscheidende Punkt, um die grassierenden Auswüchse in unserem Versorgungsbereich zu stoppen.
Um es ganz klar zu sagen: Renditedruck und Profitgier haben dort, wo es um die Gesundheit von Menschen geht, keinen Platz. Das, was hier aktuell passiert, muss dringend enden!
Sehr geehrter Frau Staatsekretärin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
sie sehen, wir Zahnärztinnen und Zahnärzte bringen immer genug Stoff für abendfüllende Gespräche mit, wenn es um die Verbesserung der Mundgesundheit, um Prävention und den Erhalt wohnortnaher Versorgungsstrukturen geht.
Auf meiner Liste habe ich noch einige Themen mehr notiert, vor allem auch die Digitalisierung. Es ist für mich eines der Herzensthemen, hier weiter voranzukommen, und zwar so, wie uns das beim „Elektronischen Beantragungs- und Genehmigungsverfahren“ gelungen ist. Dieses Leuchtturmprojekt der Zahnärzteschaft sehe ich als Blaupause für alles, was wir auch von den neuen Digitalisierungsgesetzen der Regierung erwarten: Versorgung spürbar voranbringen, Praxisalltag verbessern, Bürokratie reduzieren. Wobei ich hier betonen möchte, dass das Thema Bürokratieabbau in den Praxen für uns ganz allgemein von zentraler Bedeutung ist.
Keine Sorge, mit Blick auf die Uhr werde ich hier nicht weiter ins Detail gehen. Der Abend bietet sicherlich noch genügend Möglichkeiten für tiefergehende Gespräche. Insofern seien Sie ganz herzlich eingeladen zum Dialog – heute Abend und natürlich auch darüber hinaus! Wir als neu gewählter Vorstand freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.
Dabei belasse ich es jetzt auch und wünsche uns allen einen angenehmen Abend!
Lieber Frau Dittmar, Sie haben das Wort.