Zahnärztliche Versorgung gehört nicht in die Hände von Investoren!
Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung: Gutachten zu investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren Das Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) ist seit über einem Jahr in Kraft. Es sollte über die Beschränkung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern für zahnärztliche MVZ die Investitionsbestrebungen von Private-Equity-Investoren und damit die fortschreitende Vergewerblichung in der vertragszahnärztlichen Versorgung eindämmen. Die KZBV hat die Wirkungsweise der TSVG-Regelung und ihre Auswirkung auf die Versorgung einer eingehenden Analyse unterzogen und zwei Gutachten beauftragt. Die Gutachten bestätigen, dass Gefahren von investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) für die vertragszahnärztliche Versorgung trotz der Regelung im TSVG weiter fortbestehen. |
Für die KZBV und die KZVen ist die Sicherstellung einer flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung ein schützenswertes Gut, das es im Interesse bewährter Praxisformen und Patienten künftig unbedingt zu verteidigen gilt. Die gute Versorgung in Deutschland wird seit Jahrzehnten durch freiberuflich tätige Zahnärztinnen und Zahnärzte sichergestellt. Sie ist ein weltweit einzigartiges Erfolgsmodell mit ausgezeichneter Zukunftsperspektive.
Doch die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages und freie Zahnarztwahl sind bedroht durch den ungehinderten Zustrom versorgungsfremder Investoren. Reine Zahnarzt-MVZ und deren Ketten in der Hand solcher Investoren bewirken einen zerstörerischen Systemumbau zu Lasten von Patienten und einer freiberuflichen Versorgung, dem der Gesetzgeber wirkungsvoll begegnen muss.
KZBV und KZVen beobachten, dass von Investoren betriebene Z-MVZ regional stark konzentriert sind und sich vor allem in Großstädten, Ballungsräumen und einkommensstarken Regionen ansiedeln. In Kombination mit dem demografischen Wandel drohen Engpässe in ländlichen, strukturschwachen Gebieten. Von mehr als 600 Z-MVZ (Stand: Ende des 3. Quartals 2018) befinden sich nach Erkenntnissen der KZBV mindestens 75 in der Hand versorgungsfremder Investoren.
Lösungsansätze der Zahnärzteschaft
Anknüpfend an den Entwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes schlagen wir vor, die Gründungsberechtigung für Z-MVZ auf räumlich-regionale sowie medizinisch-fachliche Bezüge zu beschränken. Zudem setzen wir uns aktiv dafür ein, um einen möglichst faireren Wettbewerb aller Praxisformen zu ermöglichen.
Seit Februar 2019 können niedergelassene Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte in Einzelpraxen oder Berufsausübungsgemeinschaften mehr angestellte Zahnärzte beschäftigen. Darauf haben sich KZBV und GKV-Spitzenverband (GKV-SV) geeinigt. Die neue Regelung ermöglicht eine patientenorientierte Weiterentwicklung der Versorgung und trägt gleichzeitig den Wünschen junger Zahnärztinnen und Zahnärzten Rechnung, die zu Beginn ihres Berufslebens oder vor einer Niederlassung häufig zunächst als Angestellte im Team arbeiten wollen. Für die Angestellten werden zudem flexible Arbeitszeitmodelle ermöglicht. Jetzt können drei bzw. mit Begründung auch vier Angestellte je Vertragszahnarzt in Vollzeit oder entsprechend mehr in Teilzeit tätig werden. Die erweiterten Anstellungsmöglichkeiten räumen Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften eine größere Flexibilität bei der Ausgestaltung der Praxisorganisation und der Zusammenarbeit von Angestellten ein.
Die bisherigen Vorgaben des Bundesmantelvertrages – Zahnärzte (BMV-Z) sahen vor, dass niedergelassene Vertragszahnärztinnen oder Vertragszahnärzte maximal zwei Zahnärzte in Vollzeit anstellen durften. Diese Grenze wurde nun angehoben. KZBV und GKV-SV hatten sich auf eine Änderung des BMV-Z verständigt, der Regelungen zur Art und Umfang der Versorgung und Vorschriften zur Durchführung der Behandlungen enthält. Der BMV-Z ist Bestandteil der sogenannten Gesamtverträge, die zwischen Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und Vertretern der Krankenkassen auf Länderebene ausgehandelt werden. Die neue Regelung im Volltext kann hier abgerufen werden.
Beschlüsse der Vertreterversammlung
Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)
Flexibilisierung und Erweiterung der Anstellungsregelungen für Zahnarztpraxen
Beiträge von Dr. Wolfgang Eßer
Die Problematik versorgungfremder Investoren im europäischen Kontext
In anderen europäischen Ländern ist diese Entwicklung bereits viel weiter fortgeschritten. So zeigt sich der Council of European Dentists (CED) in einem Beschluss besorgt über die Sicherheit der Versorgung der Patienten. Unmissverständlich warnt er vor der zunehmenden Kommerzialisierung zahnärztlicher Leistungen durch fremdinvestorengesteuerte Dentalketten in Europa. Von diesen Ketten gehe eine massive Gefahr in Form von mangelndem Patientenschutz und drohender Unterversorgung aus. Einige handfeste Negativbeispiele verdeutlichen die Bedrohung (Quelle: Zahnärztliche Mitteilungen (zm) 108, Nr. 21 vom 1. November 2018 (2440)):
- In Spanien wurde die Dentalkette „iDental“ im Jahr 2018 von den Behörden zwangsweise geschlossen. Zurück blieben Patienten, deren Behandlung teilweise gar nicht begonnen wurde oder nicht beendet war. Dafür hatten sie sich bei Finanzanbietern verschuldet, die von iDental vermittelt wurden
- Ebenfalls in Spanien meldete im Jahr 2016 die Dentalkette „Funnydent“ Insolvenz an. Die Kette bot implantologische Leistungen zu besonders günstigen Preisen an, für die Patienten Vorkasse leisten mussten. Nach dem Konkurs blieben diese Menschen ohne Behandlung zurück.
- In Frankreich hatte die Dentalkette „Dentexia“ Implantate zur Hälfte der dort üblichen Preise angeboten. Auch hier mussten Patienten die Behandlungen im Voraus zahlen. Nach der Insolvenz blieben Patienten mit unvollendeten Behandlungen oder mit den Folgen von Behandlungsfehlern zurück.
Es liegen weitere besorgniserregende Berichte von Dentalketten vor, die über unethische Praktiken und unzulässigen Druck auf Zahnärzte – etwa in Form einer vorgegebenen Quote eingesetzter Implantate – informieren. Dies hat in einigen Ländern bereits zu Gerichtsverfahren geführt und großes Leid bei betroffenen Patienten verursacht, die falsch behandelt und mutwillig getäuscht wurden. So wendet sich zum Beispiel die Hälfte aller Patientenbeschwerden in Spanien gegen Praxisketten (Quelle: Zahnärztliche Mitteilungen (zm) 108, Nr. 21 vom 1. November 2018 (2440)). Angesichts dieser Problemlagen zwingt sich die Frage auf: Wollen wir derartige Zustände in absehbarer Zeit auch hierzulande haben? Die Antwort kann nur lauten: Nein!
Regelung des Gesetzgebers im Rahmen des TSVG
Im TSVG wurde eine spezielle Regelung zur Gründung zahnärztlicher MVZ – so genannte Z-MVZ – durch Krankenhäuser geschaffen. Deren Gründungsbefugnis für Z-MVZ ist künftig von der Wahrung bestimmter Versorgungsanteile abhängig, die durch die von einem Krankenhaus gegründeten, beziehungsweise betriebenen Z-MVZ nur noch maximal erreicht werden dürfen. Diese Anteile richten sich prozentual gestaffelt nach dem Versorgungsgrad des jeweiligen Planungsbereiches:
- In grundsätzlich bedarfsgerecht versorgten Planungsbereichen (entspricht einem Versorgungsgrad von 50 % bis 110 %) beträgt der zulässige Versorgungsanteil eines Krankenhauses beziehungsweise „seiner“ Z-MVZ in dem betreffenden Planungsbereich maximal 10 %, mindestens jedoch fünf Z-MVZ-Sitze/Zahnarztstellen in Planungsbereichen mit einem Versorgungsgrad zwischen 50 % und 99,9 %.
- In unterversorgten Planungsbereichen (entspricht einem Versorgungsgrad von unter 50 %) erhöht sich der zulässige Versorgungsanteil auf maximal 20 %.
- In überversorgten Planungsbereichen (entspricht einem Versorgungsgrad ab 110 %) reduziert sich der zulässige Versorgungsanteil auf maximal 5 %.
Die Begrenzung auf bestimmte Versorgungsanteile gilt entsprechend auch für die Erweiterung bereits bestehender Z-MVZ, so dass auch hier der maximal zulässige Versorgungsanteil des betreffenden Krankenhauses nicht überschritten werden darf.
Auf die MVZ-Gründungsbefugnis von Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzten bezieht sich die Neuregelung hingegen nicht, sondern ausschließlich auf die Gründungsbefugnis von Krankenhäusern und deren Betreibern beziehungsweise Inhabern.
Beispielberechnung für Bayern
(Stand der Bedarfsplanung: 31. Dezember 2017)
Im Landkreis Neu-Ulm liegt nach den aktuell verfügbaren Bedarfsplanungsdaten zum Stand 31. Dezember 2017 mit 114,4 Prozent eine Überversorgung vor. Da der Versorgungsgrad über 110 Prozent liegt, beläuft sich der maximale Versorgungsanteil je Krankenhaus in diesem Planungsbereich auf 5 Prozent der für einen Versorgungsgrad von 100 Prozent erforderlichen Zahnarztstellen – in diesem Fall also auf 5 Prozent von 100,28 Zahnarztstellen. Somit könnte jedes Krankenhaus in den von ihm gegründeten MVZ im Landkreis Neu-Ulm insgesamt fünf Zahnarztstellen besetzen. Verfügt ein Krankenhaus zum Beispiel schon über ein oder mehrere MVZ in diesem Planungsbereich, darf es dort nur dann weitere MVZ gründen, wenn inklusive der dort tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte in Summe über alle zum Krankenhaus gehörigen MVZ die Grenze von fünf Zahnarztstellen nicht überschritten wird.
Die kreisfreie Stadt Ingolstadt ist mit 101,1 Prozent weder über- noch unterversorgt, somit kommt hier die 10-Prozent- Regelung zum Tragen. Ein Krankenhaus dürfte mit den in seinen MVZ tätigen Zahnärzten somit insgesamt also einen Anteil von 10 Prozent der zum Erreichen eines Versorgungsgrads von 100 Prozent erforderlichen Zahnarztstellen auf sich vereinen. Dies wären – nach Rundung auf Viertel-Stellen – 10,75 Vollzeitäquivalente beziehungsweise 10 Prozent von 109,33 Stellen.
Im Landkreis Tirschenreuth liegt mit 92,4 Prozent ebenfalls weder eine Über- noch eine Unterversorgung vor. Gemäß der 10-Prozent-Regel dürfte ein Krankenhaus mit seinen MVZ hier 4,25 Zahnarztstellen besetzen. Das entspricht 10 Prozent von 43,04 Zahnarztstellen, abgerundet auf Viertel-Stellen. Jedoch besagt die Regelung, dass in Planungsbereichen mit einem Versorgungsgrad von unter 100 Prozent der maximale Versorgungsanteil mindestens fünf Zahnarztstellen betragen muss. Daher darf jedes Krankenhaus in seinen MVZ in diesem Planungsbereich jeweils insgesamt fünf Stellen besetzen.
Zum Stand 31. Dezember 2017 liegt in Bayern in keinem Planungsbereich ein Versorgungsgrad von unter 50 Prozent vor, sodass für die 20-Prozent-Regelung aktuell kein Beispiel angeführt werden kann. Diese Teilregelung im TSVG greift also im Freistaat nicht.